Bildung und Intermedialität - TheoArt-komparativ

BILDUNG

Auer Karl Heinz

Der Mensch im Recht

Interpretationsmuster im Spannungsfeld gesellschaftlicher Entwicklungen

Die Notwendigkeit, grundlegende Fragen rechtsanthropologischer und rechtsethischer Natur anzusprechen, ergibt sich aufgrund der Themen des diesjährigen Forums wie auch aus Meldungen, die Tag für Tag auf uns einbrechen: Finanzkrisen, die an den Fundamenten rütteln; Terroranschläge, die inmitten von Zivilgesellschaften ausgeführt werden: zuletzt Paris, Belgien, Orlando; Sportveranstaltungen, bei denen ein massives Polizeiaufgebot notwendig ist, um Gewalt in Grenzen zu halten; Migrationsströme, die sich in ungeahntem  Ausmaß Bahn brechen; Kriege zwischen Staaten, denen wir das Material dazu liefern; Megadeals mit Staaten und Politikern, die auf Menschenrechte – salopp formuliert – pfeifen;

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Haas Claudia

Die Schullandschaft verändert sich

Chancen für mehr ästhetische und kreative Bildung?

Abstract
 
Die Primarpädagogik ist heutzutage in zunehmendem Maße mit neuen Ansprüchen konfrontiert. Die vom Bildungsministerium angekündigten Neuerungen werden in der Schullandschaft veränderte Bedingungen schaffen: Schule wird dabei als Lernort verstanden, an dem neben Lerninhalten auch weiterführende Kompetenzen vermittelt werden sollen – insbesondere in einen offenen, fächerverbindenden Unterricht werden große Hoffnungen gesetzt. Angesichts bildungspolitischer Veränderungen wird das Unterrichtsprinzip der Primarstufe neu betrachtet werden: einerseits ermöglicht das in der Primarstufe bestehende Klassenlehrerprinzip eine differenzierte Binnenstruktur und lässt andererseits über die Fachgrenzen der Einzelfächer hinausdenken.

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Hager Elisabeth

Qualitative Sozialforschung im pädagogischen Feld

Obzwar es zahlreiche Anleitungen zum wissenschaftlichen Schreiben gibt, haben diese immer ihre eigenen Schwerpunkte. Meiner Meinung nach ist es wesentlich (Wagner 2017, S. 9), dass Schreibanfängern eine Anleitung gegeben wird, die Qualität der Arbeit zu verbessern und Mut zugesprochen wird, die Arbeit zu beginnen und zu beenden (ebenda, S. 10). Studierende erleben im praktischen Tun, dass sie für ihre Arbeiten zumeist mehr Zeit benötigen als sie ursprünglich eingeplant hatten. In kaum einer Planung sind Phasen des Nachdenkens, des Reifenlassens, des Stockens und der Bedenken, nicht weiter zu kommen, einberechnet.

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Hiebler Heinz

Die Widerständigkeit des Medialen

Grenzgänge zwischen Aisthetischem und Diskursivem, Analogem und Digitalem

Parerga: Kultur – Medien – Realität

Ein Vorwort ist Stimmung. Ein Vorwort schreiben heißt gleichsam die Sense wetzen, gleichsam die Guitarre stimmen, gleichsam mit einem Kinde plaudern, gleichsam aus dem Fenster spucken.[1]
Nikolaus Notabene (d. i.: Søren Kierkegaard): Vorworte (1844)

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Kostner Peter

Der musikpädagogische Circulus vitiosus

Eine aktuelle Betrachtung

„In der äußeren Rangordnung der Fächer, die ja nur die innere Bewertung widerspiegelt, steht Musik an vorletzter Stelle. Im Stundenplan bedenkt man sie mit letzten oder Nachmittagsstunden. Es ist kein Wunder, daß man dieses Anhängsel, diese Randerscheinung, die man so gerne als Erholung und Entspannung nach dem Ernst der schulischen Arbeit betrachtet […], am leichtesten entbehrlich findet.“ (Max Haager, 1948, S. 29) Man könnte meinen, eine aktuelle Beurteilung des Stellenwerts schulischer Musikerziehung. Dieses Klagelied stimmt Max Haager allerdings bereits im Jahr 1948 an.

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Kröll Klaudia, Rolli-Rohrer Bettina, Zass Vera

Gelingensfaktoren inklusiven Bewegungs- und Sportunterrichts

Eine partizipative Studie

Abstract

In diesem Artikel werden Faktoren und Perspektiven aufgezeigt, die einen bestmöglichen inklusiven Bewegungs- und Sportunterricht für Schüler_innen mit einer körperlichen oder mehrfachen Beeinträchtigung gewährleisten können. Die vorliegende partizipative Pilotstudie orientiert sich an den Ergebnissen von Lelgemann, Singer, Lübbeke und Walter-Klose (2012) zu den Gelingensbedingungen inklusiver schulischer Settings. Mit diesem Forschungsprojekt wird beabsichtigt, die Untersuchungsergebnisse hinsichtlich relevanter Gelingensfaktoren einer „Traumsportstunde“ aus der subjektiven Wahrnehmung von Schüler_inne_n einer Inklusionsklasse in weitere Sportstunden einfließen zu lassen.

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Langer Peter

Bilder im Unterricht

Der Einsatz von Bildern im Fach Politische Bildung/Wirtschaftskunde an der Polytechnischen Schule Hall

Einleitung

In unserer Zeit haben Bilder eine immense Bedeutung. Ob in digitalen Medien oder in Fernsehen und Presse, das Bild begleitet uns auf Schritt und Tritt. Überdimensionierte Werbebotschaften stürzen von riesigen Reklametafeln auf uns ein, ganzseitige Annoncen in Tageszeitungen erfahren unsere Aufmerksamkeit, großteils auch unbewusst.

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Lintner Martin M.

Werte vermitteln in Kindergarten und Schule

„Es ist gut, dass es dich gibt“

Für ein gelingendes Leben sind gemeinsame Werte eine große Hilfe. Welche Rollen Menschenwürde, Anerkennung und Integration dabei spielen, erörtert Moraltheologe Martin M. Lintner in folgendem Beitrag.

Kindergarten und Schule sind wichtige Lebensräume und Lernorte für Kinder und Jugendliche. Sie verbringen viel Zeit in den jeweiligen Gruppen und eignen sich nicht nur Wissensinhalte an, sondern werden in ihrem Charakter und ihrer Persönlichkeit nachhaltig geformt. In der Kindheit und im Schulalter gemachte Erfahrungen und vermittelte Werte prägen einen Menschen sein Leben lang.

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Lintner Martin M.

Überlegungen zur Rolle des Sports in der Gesellschaft

Sport ist wert(e)voll!

Im Sommer 2016 stehen weltweit gleich zwei große Sportereignisse im Mittelpunkt des Interesses: Vom 10. Juni bis 10. Juli findet die Fußballeuropameisterschaft statt und vom 5. bis 21. August stehen die Olympischen Spiele in Rio im Fokus. Grund genug, sich mit dem Thema „Sport und Werte“ auseinanderzusetzen.

Sie sind Vorbilder“: Mit diesen Worten hat Papst Franziskus am 30. April den österreichichen Skiverband im Vatikan empfangen.

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Lintner Martin M.

Was hat die Flüchtlingskrise mit Umweltschutz zu tun?

Umweltkrise und Migration

Die Flüchtlingskrise hält derzeit vor allem den Nahen Osten und Europa in Atem.

Eine Frage wurde bisher allerdings zu wenig thematisiert: Was hat die Flüchtlingskrise mit Umweltschutz zu tun? Mehr, als es auf den ersten Blick scheinen mag.

Papst Franziskus spricht in seiner Enzyklika „Laudato si’“ (LS) den Zusammenhang zwischen der ökologischen Krise und der Migration an: „Tragisch ist die Zunahme der Migranten, die vor dem Elend flüchten, das durch die Umweltzerstörung immer schlimmer wird, und die in den internationalen Abkommen nicht als Flüchtlinge anerkannt werden; sie tragen die Last ihres Lebens in Verlassenheit und ohne jeden gesetzlichen Schutz“ (Nr. 27).

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Löffler Winfried

Wo Wittgenstein die Dampfmaschine reparierte

(Innsbrucker Philosophen organisieren Internationales Wittgenstein-Symposium)

Abstract: Die kleine Marktgemeinde Kirchberg/W. im südlichen Niederösterreich ist einmal jährlich Schauplatz eines weltweit bedeutenden Philosophiekongresses, des "Internationalen Wittgenstein Symposiums". Im Jahr 2002 war es dem Thema "Personen - ein interdisziplinärer Dialog" gewidmet.

Der verzweifelte Werkmeister hatte schon alles probiert - aber sie wollte einfach nicht mehr, die Dampfmaschine in der Textilfabrik von Trattenbach (NÖ). Da erinnerte man sich an den als verschroben geltenden Volksschullehrer namens Ludwig Wittgenstein - der hatte doch auch einmal Maschinenbau studiert. Der Herr Lehrer sah sich die Sache an, ließ vier Arbeiter in bestimmtem Rhythmus auf bestimmte Stellen hämmern, und - die Maschine lief wieder an. Den Werkmeister soll die Peinlichkeit sein Lebtag lang geärgert haben...

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Löffler Winfried

Interdisziplinarität als Lösung für das Grundproblem der Arbeitswissenschaft?

Ein wissenschaftstheoretischer Blick von außen

1. Von der Gefahr des bestimmten Artikels

Wenn im Titel dieses Beitrags (und einige Male auch später) von „der Arbeitswissenschaft" die Rede ist, so ist dies nur der sprachlichen Vereinfachung geschuldet und erfolgt jeweils mit schlechtem Gewissen: Denn hinter der Verwendung des bestimmten Artikels steckt in unserem Kontext ein massives Problem. Es ist nämlich unübersehbar, dass „die Arbeitswissenschaft" sich de facto als Cluster verschiedenster wissenschaftlicher Bemühungen mit unterschiedlichsten methodischen Ansätzen präsentiert, um deren Bedeutsamkeit sieh seit Jahrzehnten Prioritätsdiskussionen drehen.

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Mayr-Keiler Kerstin

Computergestützte qualitative Textanalyse nach dem GABEK®-Verfahren

am Beispiel von Wittgensteins Vorlesungen und Gespräche über Ästhetik, Psychoanalyse und religiösen Glauben

Abstract

Ziel des Artikels ist es, anhand eines Beispiels die computergestützte Methode GABEK® (Ganzheitliche Bewältigung von Komplexität) als eine Möglichkeit der qualitativen Textanalyse (QDA) vorzustellen. Dabei wird gezeigt, wie ausgehend von sprachlichen Daten mit Hilfe von GABEK® Themen intertextuell vernetzt und zusammengefasst werden können. Die Kernaussagen sprachlicher Daten lassen sich so professionell, systematisch und regelgeleitet bearbeiten, ohne dass dabei der Kontext einzelner Textpassagen verloren geht.

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Resinger Paul

Lesekompetenzförderung bei Berufsschülerinnen und Berufsschülern durch berufsspezifische Lern-/Leseaufgaben

Promoting reading skills of vocational school students with means of job-focused learning and reading tasks

Zusammenfassung

Das in Vorprojekten bereits erfolgreich umgesetzte Konzept des Einsatzes von berufsspezifi­schen Lernaufgaben wurde im Forschungsprojekt „Lesekompetenzförderung an Berufsschulen" in Richtung Leseförderaufgaben erweitert. Das Innsbrucker Forscherteam Hans Brunner, Paul Resinger und Maria Schaffenrath an der Pädagogischen Hochschule Tirol (Österreich) unter­suchte, welcher Fortschritt hinsichtlich berufsrelevanter Lesekompetenz durch einen gezielten, regelmäßigen Einsatz von berufsspezifischen Lern-/ Leseaufgaben erreicht werden kann und entwickelte Diagnoseaufgaben, mit denen Berufsschullehrer/innen im Fachunterricht Lesedefizite der Lehrlinge rasch feststellen können. Die Daten der empirischen Untersuchung belegen, dass der Einsatz von Lern-/ Leseaufgaben bei schwachen Leserinnen und Lesern zu einer signifikanten Verbesserung der Lesekompetenz führt.

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Schluß Henning

Schule

1. Allgemein

„Schule“ als Wort geht auf den altgriechischen Begriff σχολή zurück, der mit „Muße“ übersetzt werden kann. Nur die freien Bürger konnten sie sich leisten und wendeten sich in der Muße den für den Bewohner des griechischen Stadtstaates (πόλις) wichtigen Dingen zu, wie die Beschäftigung mit der Weisheit, der Musik, der Politik oder dem Diskutieren auf dem Marktplatz, Beschäftigungen, die man um ihrer selbst willen tat und nicht um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Der Begriff der σχολή geht später auf die Institution über, in der man von der Erwerbsarbeit befreit auf die Erwachsenenwelt vorbereitet wird. Mit der Ausbreitung der Institution Schule auf immer breitere gesellschaftliche Schichten und Stände befindet sich die Schule in der Moderne in einem Zwiespalt, einerseits die gesellschaftliche Teilhabe und andererseits die individuelle Entwicklung vorbereiten zu sollen (Benner, 2011).

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Schluß Henning

Von der Bildungskatastrophe zur Neubegründung der Schule

Herausforderungen der Breitenbildung in der Reformation

Abstract

Für das mittelalterliche Bildungswesen bedeutete die Reformation eine massive Krise. Der Aufsatz vertritt die These, dass diese Krise insbesondere von Luther nicht nur als Nebenfolge der Reformation billigend in Kauf genommen, sondern das Ende des überkommenen Modells des Schulehaltens von ihm ausdrücklich angestrebt wurde. Allerdings nutzt Luther die Gunst der Stunde und wirbt nicht nur für die Neuerrichtung von Schulen. Er entwickelt neben verschiedenen Begründungen für Schule (auch ganz innerweltlichen) auch organisatorische Konzepte für die neue Schule. Aspekte der Reformpädagogik wie koedukative oder die Standesgrenzen überschreitende Perspektiven lassen sich nachweisen, die freilich immer wieder in den Horizont seiner Gegenwart eingebunden werden. Begründet werden diese neuen Perspektiven, ganz im Geist der Zeit, durch einen Verweis auf zurückliegendes, insbesondere die Griechen. Diese dienen für Luther wie die humanistischen Zeitgenossen als Vorbild für die Schulbildung . Dabei verändert Luther jedoch das antike Vorbild und schafft damit einen konzeptionell neuen Ansatz zur Begründung von Schule.

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Schluß Henning

Eine Stadt ohne Angst vor dem Fremden in ihr

Liebe Gemeinde der Zionskirche,

das Verhältnis von Religion und Bildung wird dieser Tage häufig diskutiert. Die Ergebnisse der PISA Studie liefern hierzu zahlreiche Anlässe. Immer wieder wird sie so gelesen, dass die Kinder von Migranten, noch dazu die mit der fremden Religion, bei vergleichenden Schulleistungstests schlecht abschneiden. Wenn man genauer liest, dann sieht man, dass die Kinder des Japanischen Ehepaars, die nach Berlin zu Siemens ins Management gewechselt sind und dem Shintoismus angehören – häufig keine besonderen Bildungsprobleme haben. Offenbar handelt es sich hier weniger um ein Problem der Fremden schlechthin oder der fremden Religion, als um einen Herkunftszusammenhang, den man häufig als aus „bildungsfernen Schichten“ beschreibt. Der deutschen Schule gelingt es deutlich schlechter als anderen Schulsystemen in der OECD, diesen Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg aufzubrechen. Es verlängert die Unterschiede, die die Kinder schon von zu Hause mitbringen, statt an ihre Stelle die Unterschiede zu setzen, die sich im Bildungssystem selbst entwickeln und die wir eigentlich als Schulleistung bezeichnen sollten.

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Siebenrock Roman

Um welches Kohlenfeuer dreht sich mein Leben?

Impuls für Tiroler Barocktage

(Impuls am 24. 4. 2016: Tiroler Barocktage, Konzert 3: „Mozärtlich – Frühe Sakralwerke“. Pfarrkirche Petrus und Paulus in Götzens.)

Gegenüber dem vorgetragenen Text erweiterte Fassung.

In diesem wunderbaren Raum, in dem alles schwingt und es ekstatisch ins Unfassbare verweist, weil der Barock alles Leben des Menschen vor allem seine ekstatischen Gefühle des Glücks und des Schmerzes ins österliche Licht der Versöhnung taucht, werden wir in dieser Stunde mit den Frühwerken von Mozart ein Gesamtkunstwerk erfahren dürfen. Gerade in solch erhebenden Stunden scheint es mir angebracht, uns an unseren Alltag zu erinnern, der in dieser Stunde nicht vergessen, sondern ebenso durch ein neues Licht verwandelt werden möchte. In dieser Kirche, die den Aposteln Petrus und Paulus gewidmet ist, können wir uns darin erinnern, dass sich uns aller Leben wie das des Heiligen Petrus an zwei „Kohlefeuern“ entscheidet. An zwei Kohlefeuern wurden ihm jene Fragen gestellt, die über sein Leben entschieden haben und die auch über unser aller Leben entscheiden werden.

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Spreng Ernst

Status: heimatlos

Zweitspracherwerb von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Tirol

Zusammenfassung

Aktuell kommen rund 2000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) jährlich nach Österreich. Es sind Jugendliche bis 18 Jahren, die meist ohne durchgängige Schulhistorie und ohne Deutschkenntnisse ein Recht darauf haben, dass ihnen das Asylland den Zugang zum Bildungssystem ermöglicht. Diese Forschungsarbeit beleuchtet, welche Faktoren einen raschen Deutscherwerb fördern bzw. verlangsamen und wie am Beispiel Tirol konkret auf die besonderen Bedürfnisse dieser Jugendlichen im Bildungsbereich eingegangen wird.

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Stöger Peter

Lichtkind - Ixtlamachiliztli

Vorwort

„Das verborgene Wort“ nennt Ulla Hahn eines ihrer Werke. Davon wollen vorliegende Reflexionen erzählen.

Erzählen über Verborgenes und manchmal Geborgenes. Über Verlorenes und Geborenes. Manchmal geht dabei so etwas wie ein Schimmern durch – und ist schon wieder spurenverwischt. Manchmal mag es einem Vokabel gelingen, sein Wort zu finden…

Was da durchschimmert ist meist ein Stück Kindland. Peter Handke lässt staunen, er träumt von Kindern, die dichten. „Sie stehen da, halten die Hand in den Regen, und das ist ihr Gedicht.“ Mag sein, dass es auf dem Weg zu diesem Buch auch einmal geregnet hat.

Die Reflexionen entstanden zwischen 2005 und 2013. Gemalt und komponiert sind sie vornehmlich in Österreich und Mexiko, in Burkina Faso und Uganda.

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Tschuggnall Peter

Martin Bubers Reden über Erziehung

Zum heutigen Unterricht

„Ich habe keine Lehre; ich führe ein Gespräch“, nennt der 1878 geborene Martin Buber eine Essenz seiner Tätigkeit. Eugen Biser stellt diese Wegbeschreibung an den Beginn seines Buches über den jüdischen Religionsphilosophen und kommentiert:

Selbstverständlich konnte auch er kein Gespräch ohne lehrhaften Hintergrund führen [ ... ]. So blieb in dem, was Buber lehrte, stets der dialogisch-pädagogische Impuls bestimmend. Seine „Lehre“ hatte, wie man auch sagen könnte, einen Überschuss an noch „ungelöschten“ Fragen. Und ebenso war darin der Unterton des Erziehers und Mahners nicht zu überhören.

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Tschuggnall Peter

"Das Wort ist kein Ding"

Eine theologische Einübung in den literaturwissenschaftlichen Begriff der Intertextualität

Der in den späten 60er Jahren geprägte literaturwissenschaftliche Begriff der Intertextualität scheint für die künftige theologische For­schung von nicht geringem Interesse; im besonderen der Umgang mit dem ,Intertext‘, wie er nicht zuletzt von der Vergleichenden Literatur­wissenschaft entwickelt wurde und in ihrem Rahmen Anwendung er­fährt. Die Vergleichende Literaturwissenschaft, die Ansätze ihrer Me­thodologie und Theorie in Untersuchungen von interliterarischen Bezie­hungen, interliterarischen Parallelitäten sowie transliterarischen Zusam­menhängen sieht, ordnet die Bereiche ,Alterität‘ und ,Intertextualität‘ in ihren Gesamtzusammenhang ein; komparatistische Analysen gehen da­bei aus zum einen von dem Phänomen der Alterität literarischer Werke (worin der Blick vom Kontext hin zum Text gerichtet ist) und zum ande­ren eben von der Erfassung der Intertextualität (wobei die Beziehungen eines Textes zu seinem Kontext im Blickpunkt stehen).

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Tschuggnall Peter

Die „Würde des Menschen“ sei unantastbar – und die Wahrheit ihm „zumutbar“?

Essay über ein dialogisches Denken und Handeln „wider eine vergiftende Kultur“ (Jean Dubuffet)


O bon Dieu;
les langues des hommes sont pleines de tromperies.
[O mein Gott!
Die Sprachen der Menschen sind voller Betrügereien!]
Shakespeare, Heinrich V.

Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus: […]
sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.
Rainer Maria Rilke, Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort

Das innerste Formgesetz des Essays ist die Ketzerei.
An der Sache wird durch Verstoß
gegen die Orthodoxie des Gedankens sichtbar,
was unsichtbar zu halten insgeheim
deren objektiven Zweck ausmacht.
Theodor W. Adorno, Der Essay als Form

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INTERMEDIALITÄT

Amaladass Anand

Der Andeutungscharakter des Kunstwerkes

Der Jünger eines indischen Meisters klagte immer wieder bei seinem Meister. Er sagte: Sie haben mich den Weg gelehrt, nach der Wahrheit zu suchen. Aber das Wichtigste, das mir helfen könnte, verbergen Sie vor mir. Nein, sagte der Meister, ich habe dir alles erklärt. Es gibt nichts zu verbergen. Aber der Jünger war damit nicht ganz zufrieden. Eines Tages begleitete dieser Jünger seinen Meister beim Spaziergang entlang einem Berg. Als sie beide spazieren gingen, hörten sie einen Vogel, der sang. Hast du das Lied des Vogels gehört, fragte der Meister. Ja, sagte der Jünger. Gut. Nun weißt du, dass ich vor dir nichts verborgen habe, sagte der Meister. Ja, sagte der Jünger. Wenn du einen Vogel hörst, der singt, dann weißt du viel mehr als Worte und Begriffe.

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Debate on The Quest for the Absolute

Nexus Conference The Questor Hero. Gustav Mahler's Ultimate Questions. Second debate: Faust or Percival? Part II: The Quest for the Absolute

With Constantin Floros, Adam Zagajewski, George Klein, Slavoj Zizek, Allan Janik and Lewis Wolpert at the Muziektheater in Amsterdam.

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Fischer-Kröll Ingrid

Vom Verdichten zu intellektueller Auseinandersetzung: Patrick Roth

Literatur ohne Religion, das gibt es. Religion ohne die Künste, ohne Literatur, das gibt es nicht. Wer, wie die christliche Literatur, postuliert, dass das Göttliche das Wahre und Schöne ist, wird in seinem Suchen und Fragen zwangsläufig mit der Ästhetik in Dialog geraten. Längst ist selbst in den Schulen die Katechese von einst, die gemeint hatte, Gott definieren zu können, abgelöst von einer narrativen Theologie, die anstrebt, Gott im Erzählen auf die Spuren zu kommen.

Wenn Kunst von Glauben spricht, so tut sie das bleibend anders als Theologie, in irgendeiner Weise versuchen beide aber von etwas zu erzählen, was den Einzelnen unbedingt angeht und gleichzeitig ein Geheimnis ist. Sowohl der Künstler als auch der Theologe mögen in ihren Ausführungen diesen anderen unbekannten Einzelnen nicht vergessen.

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Frye Northrop - The Bible and English Literature

Literary Critic Northrop Frye Teaches “The Bible and English Literature”

All 25 Lectures Free Online

One reason I’m glad for having had a childhood religious education: it has made me conversant in even some of the most obscure stories and ideas in the Christian Bible, which is everywhere in English literature. Not only was the King James translation formative for early modern English, but stories like that of King David and his son Absalom have furnished material for great works from John Dryden’s dense political allegory “Absalom and Achitophel” to William Faulkner’s dense modernist fable Absalom, Absalom!  Then, of course, there’s so much of the work of Blake, Shakespeare, and Milton to account for. Without a fairly solid grounding in Biblical literature, it can be doubly difficult to make headway in a study of the secular variety.

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Gillmayr-Bucher Susanne

Aus der Lyrik Thomas Bernhards

Radiobeiträge für die Sendung „Gedanken für den Tag“ (Ö1, 7.-12. 2. 2011)

1. „Ich will meinen Kampf beten, den großen Kampf um meine Seele“

Thomas Bernhard, der vor allem mit seinen Theaterstücke und Prosawerken weit über Österreich hinaus bekannt wurde, begann seine schriftstellerische Laufbahn als Lyriker. Bereits die Gedichte sprechen aus einer Perspektive, die sich kritisch mit ihrer Umgebung auseinandersetzt und dabei an ihr zu zerbrechen droht. Dementsprechend zeigt sich die Welt in Bernhards Gedichten als eine abweisende und bedrohliche Wirklichkeit. Trotz der scheinbaren Ausweglosigkeit stellt sich seine Lyrik in immer neuen Anläufen dieser Welt gegenüber und nimmt das Leben mit all seinen dunklen Seiten als eine große Herausforderung an.
So heißt es im ersten seiner Psalmgedichte:

Ich will meinen Kampf beten, den großen Kampf um meine Seele.

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Gillmayr-Bucher Susanne

Ruth – images of an unfulfillable longing

The story of Ruth, the Moabite woman who left her country and people to follow her mother in law and become part of Israel, has been reproduced and used by poets as a discursive object through-out the centuries. Focusing on German literature of the 20th century the reconstruction of Ruth appears almost exclusively as lyric poetry. When Ruth’s perspective, her experiences and her atti-tude are reconstructed in different contexts they reveal a fragmented and fragile vision matching the lyric diction. The clearly drawn plot of the biblical story with its fine arc of suspense and its happy end, however, is widely ignored respectively left to the imagination of the readers. Apart from idyllic or heroic imaginations of the solidarity between Ruth and Naomi, or a common love story between Ruth and Boas lyric poetry focuses on its more worrying and precarious aspects, es-pecially the affection between the characters but also Ruth’s solidarity are called into question and remain ambiguous. Especially the perspective of Ruth, her longing for a home and (a new) life is widely explored and imagined. In this way the story of Ruth serves as a mirror for lyrical images that construct and deconstruct the possibilities of love, solidarity and life itself throughout the 20th century. However, only fragments of her story come into focus, highlighting particular contexts and aspects, but a conclusion is not imagined. It is Ruth’s longing, but not its fulfilment, that appeals to the poets.

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Holzner Magdalena

Die Bedeutung des Religiösen in der Kinderliteratur der Gegenwart

Die Verbindung von christlicher Religion und deutschsprachiger Literatur ist in der Vergangenheit sehr klar erkennbar, denn der hohe Stellenwert des Christentums in der Bevölkerung spiegelt sich darin wider. Literatur und Religion bildeten bis zur Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts (Langenhorst, o.J., o.S.) eine Einheit und vor allem Kinderbücher dienten lange der christlich-moralischen Belehrung und dem Vermitteln grundlegender Glaubensinhalte.

Dabei ist gegenwärtig zu beobachten, dass sich die „persönliche Religiosität […] immer stärker von kirchlichen Bindungen und Glaubensvorstellungen“ (artikeljulit_1.pdf, 2006, o.S.) löst. Erziehung erfolgt ebenso nur mehr selten unter christlich-religiösem Einfluss. Jedoch bleiben „Orientierung und Sinnstiftung“ in der Entwicklung von zentraler Bedeutung. (artikeljulit_1.pdf, 2006, o.S.)

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Kulewatz Julia

Auf der anderen Seite

Zum Dazwischen als generative Grauzone im Schreiben Herta Müllers

„I see the shaded part on one side where the sleepers are sleeping, […]”

Das „Vor-Augen-Führen“ (Aristoteles, Rhetorik. 1410b) – damit nähern wir uns dem Aristotelischen Metaphernverständnis als Kraft des Sehens; die Sehkraft ist bereits eine Metapher dafür, wie wir als sinnlich rezipierende Wesen den uns umgebenden Kontext als Welt wahr-nehmen. Da dem Sehen selbst, also dem Selbst-Sehen, das Metaphorische innewohnt, lehne ich mich nicht zu weit aus dem oben genannten Fenster, wenn dieser essayistische Versuch seinerseits behauptet, dass das Sehen mehr ist als ein physischer, auf Schärfe ausgerichteter Prozess. Vielmehr ist es eine multidimensionale, schöpferische Funktion, die unserem emotionalen und mentalen Seinszustand entspringt und diesen in einer rückläufigen Bewegung von der „anderen Seite“ her erneut und umso maßgeblicher beeinflusst. Aristoteles bemerkt, dass „die Metapher in größtem Umfang Deutlichkeit, Annehmlichkeit und Fremdartigkeit [besitzt; J.K.], und […] nicht von etwas anderem abgeleitet werden [kann; J.K.]“ (Aristoteles, Rhetorik. 1405a).

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Kulewatz Julia

Dies ist kein Wiegenlied

Über das Schaukeln:

Collagierter Wach-Traum und Fremd-Sein in eigenen Bildern bei Herta Müller

Immer dieselbe Frage sickert tröpfchenweise in mein Denken, wenn ich versuche, Herta Müller zu lesen: Wo fange ich diesmal an und wo ende ich? ‒

Diese Frage ist redundant, sie schwimmt, denn bei Müller gibt es weder Ende noch Anfang; auch kein Eintauchen oder Wellen umspülte Körper, nur ein Sich-Hinein-Stoßen oder Sich-von-sich-selbst- Abstoßen, ein geteiltes Ersetzen/Entsetzen des Selbst, ein Sich-zersetzen; ertrinken oder verzweifelt schwimmen, solange bis einem der Atem schaukelt.  ‒

Denn ein ganzes Meer kann ich nicht trinken.

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Langenhorst Georg

„... in diesem Namen aber ...“ (Andreas Knapp)

Jesus in literarischen Texten des 21. Jahrhunderts

Dem Jesus-Roman ergeht es wie dem Jesus-Film: Beide Formen der künstlerischen Jesus-Rezeption werden immer wieder mit schlüssigen Gründen für beendet, für erschöpft, für ausgereizt erklärt, um allen Verabschiedungen zum Trotz eine bunte Blüte an immer neuen Werken hervorzubringen. Als Karl-Josef Kuschel im Jahre 1978 seine Untersuchung über Jesus in der deutsch­sprachigen Gegenwartsliteratur abschloss, wagte er die Prognose: „Die Zeit der konventionellen, tradi­tionellen Jesusliteratur ist endgültig vorbei“. Josef Imbach eröffnete einen im gleichen Jahr erschienenen Überblicksartikel zum „Jesusbild in der zeitgenössischen Literatur“ gar mit dem Satz: „Von Jesus ist in der Gegenwartsliteratur nicht übermäßig viel die Rede“. Und schon 1971 hatte der Altmeister des theologisch-literarischen Gesprächs Paul Konrad Kurz geschrieben: „Der unmittelbare Zugang zu einem historischen, in seiner Umwelt und unserer Denkweise gleichermaßen beheimateten Jesus ging nicht nur den Exegeten und Theologen, sondern auch den Schriftstellern verloren. Darum ist der [...] Jesus­roman zu Ende.“

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Langenhorst Georg

Neues von der „Gottsucherbande“

Wandlungen der Gottesrede in der Literatur unserer Zeit

Gott in der Literatur unserer Zeit? Die Frage scheint schon lange beantwortet zu sein: „Verschwiegen“ und verborgen, „verloren“ und verabschiedet sei er, so grundlegende Studien zur Thematik. Die hinter der Frage aufscheinende Suche finde nur ein Ergebnis: „Gott liebt es, sich zu verstecken“. Der Blick in die Gegenwartsliteratur könnte dann nur eines erbringen: eine erneute Bestätigung der Gottesverdunstung, der resignativen Einsicht in die ständig schwindende Präsenz des Gottesgedanken in der Gegenwartskultur.

So könnte der Befund sein – ist er aber nicht. Ein genauer Blick vor allem in die Entwicklungen der letzten 20 Jahre führt genau zu dem gegenteiligen Ergebnis: „Ich gönne mir das Wort Gott“, unter dieser Überschrift erscheint ein Gespräch mit Andreas Maier, einem der wichtigsten Autoren der mittleren Schriftstellergeneration im deutschsprachigen Raum in der Frühjahrsliteraturbeilage 2005 der Wochenzeitschrift „Die ZEIT“. Im Interview führt er aus: „Irgendwann habe ich damit angefangen, mir die Verwendung des Wortes Gott zu gönnen. Wenn man sich dieses Wort verbietet, hat man extreme Schwierigkeiten, bestimmte Dinge zu sagen.“

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Langenhorst Georg

Gestatten: Gott!

Religion in der Kinder- und Jugendliteratur unserer Zeit

Befund, Deutung und Perspektiven für religiöses Lernen

Drei Blitzlichter aus der aktuellen Kinder- und Jugendliteratur zu Beginn:

  • Im Jahr 2013 erscheint in der bewährten Reihe kinderphilosophischer Foto-Text-Bücher der Band „Was, wenn Gott einer, keiner oder viele ist“? In zwölf Gegensatzpaaren zeigen Oscar Brenifier und Jacques Desprès auf, wie sich die Menschen in den unterschiedlichen Religionen und Denkwelten Gott vorstellen. Auf jeweils einer Doppelseite werden solche Vorstellungen einander gegenübergestellt und kurz charakterisiert. Die für die Buchreihe typischen, futuristisch anmutenden Computergrafiken setzen die jeweiligen Gottesbilder in verfremdende, aber erkenntniserleichternde Illustrationen um. Am Ende des Buches – nach der nicht wertenden Aneinanderreihung verschiedener Vorstellungen – steht die Frage: „Und du?“ Sie regt Kinder dazu an, sich über eigene tragfähige Gottesvorstellungen selbst Gedanken zu machen.

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Mautner Josef P.

Spuren von "Religion" in Kafkas Werk

Zu verschiedenen Lektüren des Proceß-Fragmentes

„Scheitern, immer scheitern, wieder scheitern, besser scheitern.“
(George Tabori, in „Goldberg-Variationen“)

Die folgenden Überlegungen zu Spuren von „Religion“ im Werk Franz Kafkas konzentrieren sich auf Fragen nach den Wahrnehmungsvoraussetzungen einiger Lektüreperspektiven, die durch Kafkas Texte angeregt wurden. Es geht mir also in erster Linie um ästhetische Grundlagen einer solchen Spurensuche und nicht um religions- oder literaturwissenschaftliche Fragestellungen. Ich stelle als Hypothese an den Anfang, dass die Ästhetik von Franz Kafkas Texten eine der unüberbrückbaren Differenz ist.

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Mautner Josef P.

"Die Zeit macht aus ihren Zeugen immer Vergessende". Katholizismus und Nationalsozialismus im Werk von Thomas Bernhard

„Die Geschichte interessierte mich, aber nicht so, wie sie sich für unsere Geschichte interessierten, sozusagen nur für die als zu Hunderten und zu Tausenden aufeinandergelegten Ruhmesblätter, sondern als Ganzes. Was sie niemals gewagt hatten, in ihre fürchterlichen Geschichtsabgründe hinein und hinunter zu schauen, hatte ich gewagt.“ 1

Auf den ersten Blick scheint es der Unverschämtheit einer typisch Bernhard’schen Provokation nahe zu kommen, den österreichischen Schriftsteller der ‚literarischen Publizistik des deutschsprachigen Katholizismus’ zuordnen zu wollen. Gerade ihn, der sich jeder Zuordnung vehement entzogen hatte, unter dieses Milieu zu rubrizieren, mag zum Widerspruch reizen, hätte vermutlich auch ihn selber zum Widerspruch gereizt. Auf die Frage: War Thomas Bernhard ein katholischer Schriftsteller? – sind zwei sich ausschließende Antworten möglich; die eine: ‚Er war alles andere als das! Sein ganzes Werk seit dem ersten Roman, Frost, entwickelt einen literarischen Diskurs, der frontal gegen den Katholizismus, seine pädagogischen, kulturellen und religiösen Implikationen gerichtet ist.’ – Die andere: ‚Bernhard war ganz selbstverständlich katholisch geprägt.’

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Niewiadomski Jozef

Da haben die Dornen Rosen getragen

Und sie tragen sie immer noch! Predigt zum Weihnachtsfest 2016
(Gehalten am 25. Dezember in der Jesuitenkirche)

Immer und immer wieder kam mir diese Analogie in den Sinn. Beim Anblick der zerstörten Häuser in Aleppo, bei den Bildern von Straßen auf denen zwischen den Ruinen hin und wieder ein Mensch zu sehen war, eine Frau mit Kind etwa, da tauchten in meinem Kopf die Motive aus dem Adventslied auf: “Maria durch ein Dornwald ging”. Ging durch eine Landschaft, in der kein Leben zu sehen war. Nichts als nackte Dornen, Dornen, die das Leid provozieren, Dornen, die an das Leid erinnern, Dornen, die Mutlosigkeit mit sich bringen und jegliche Hoffnung im buchstäblichen Sinn des Wortes ersticken. Solch dornige Wege gibt es nicht nur in Aleppo, auch wenn sie dort momentan am deutlichsten zu sehen sind. Einen dornigen Weg betraten die Familienangehörigen und Freunde der Opfer des Terroranschlags in Berlin, so auch die Familie des polnischen Lastwagenfahrers, des Mannes, der vom islamistischen Attentäter überwältigt, getötet und im Attentatsauto am Berliner Christkindlmarkt liegengelassen wurde: dort, wo die Szene des bunten und fröhlichen Treibens der Menge im Sekundenbruchteil zu einer Landschaft der Zerstörung verwandelt wurde, zum sprichwörtlichen Tal der Tränen, aber auch zur Brutstätte der Angst vor dem Terror, gar zum Generator des Hasses, der ja wiederum blühende Lebenswege zu neuen struppigen Pfaden transformiert. Den dornigen Weg betrat schon vor Jahren der Attentäter selber. Er tat dies in dem Augenblick, in dem er sich dem Hass vermählte und diese Welt deswegen als zerstörungswürdig wahrnahm, als einen Haufen von vertrockneten Dornen, der bloß angezündet und verbrannt gehört.

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Niewiadomski Jozef

Mut zur Dramatik

Raymund Schwagers Ringen mit dem Problem der Freiheit

(Einleitung zum Sammelband: Das Drama der Freiheit im Disput. Die Kerngedanken der Theologie Raymund Schwagers, Herder 2017)

Sind Selbstmordattentäter wirklich freie Menschen? Könnte ihre selbstmörderische Tat, die andere Menschen mit in den Tod reißt, gar als Vollendung ihrer Freiheit gedeutet werden? Die in den islamistischen Kreisen gepflegte „Martyriumsideologie“ legt einen solchen Gedanken nahe. Weil ihre Tat als Selbstopferung begriffen wird, werden sie ja als Märtyrer und Helden gefeiert. Die auf den ersten Blick dem durchschnittlichen „Westler „als abwegig erscheinenden Fragen und Analogien sind keineswegs abwegig. Natürlich können sie schnell mit dem Hinweis auf Verblendung der Islamisten abgetan werden. Die Religionskritiker werden allerdings nicht müde, auf Parallelen zwischen religiösen Lebenshaltungen hinzuweisen, von denen sie überzeugt sind, dass sie alle – und dies auch samt und sonders – mehr der Logik der Vergewaltigung des Menschen durch eine wie auch immer begriffene göttliche Macht, denn der Logik einer freien Entscheidung des religiös gestimmten Menschen verpflichtet sind. Nimmt man dieses grob gestrickte Muster der Analogien doch ernst, wird man unweigerlich mit der Frage konfrontiert, ob nicht auch Jesus in seiner Entscheidung für den Tod am Kreuz oder auch nur in seiner Fügung in das scheinbar unabwendbare Geschick von seinem Vater verführt, gar „vergewaltigt“ wurde. Dies nicht auch zuletzt deswegen, weil es in der christlichen Tradition genug an soteriologischen Entwürfen gegeben hat, die im göttlichen Vater den eigentlichen Agens des Kreuzigungsgeschehens gesehen haben.

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Niewiadomski Jozef

Abrahams Dilemma

(Predigt zum zweiten Fastensonntag)

Der Bursch erstarrte, das Blut fror ihm buchstäblich in den Adern. Er blickte in das Gesicht des Vaters. Dieser hat ihn gerade zu Boden gestoßen. Sein Blick war wild, seine Gestalt war Schrecken. “Du dummer Knabe”, zischte es aus dem Mund des Vaters. “Du dummer Knabe, glaubst Du wirklich, ich sei Dein Vater? Ich hänge Abgöttern an! Glaubst Du, es sei Gottes Befehl? Nein! Es ist meine Lust.” Isaak zitterte am ganzen Leib. In seiner Angst schoss ihm ein Stoßgebet in seinen Kopf: “Gott im Himmel, erbarme Dich über mich. Abrahams Gott, erbarme Dich, habe ich keinen Vater auf Erden, dann sei Du mein Vater!” Im selben Augenblick betete auch der Alte in seinem Inneren: “Herr im Himmel, ich danke Dir, es ist doch wirklich besser, dass der Junge glaubt, ich sei ein Unmensch, als dass er den Glauben an Dich verlieren sollte!”

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Planyavsky Peter

Musik für die Kirche - Musik in der Kirche - Musik trotz der Kirche

[Vortrag beim Symposium der Brixner Intitiative Musik und Kirche 2014 in Brixen/Bressanone]

Musik für die Kirche – das heißt am Beginn natürlich: Musik für die Liturgie.
Für die Liturgie – ja für welche Liturgie? Wir Kinder des 20. Jahrhunderts schauen zuerst auf die Vorgaben aus Rom und studieren dann immer die Abweichungen, Sonderformen und Reformen, die angekündigt, dekretiert oder untersagt und zurückgenommen werden. Die Kinder des 21. Jahrhunderts gehen anders vor. Sie schauen zuerst, was sie in einem Gottesdienst drin haben wollen, und versuchen dann, es irgendwie mit der offiziellen Liturgie in Übereinstimmung zu bringen. Diesem Phänomen wollen wir uns aber erst später und in aller gebotenen Kürze zuwenden.

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Planyavsky Peter

Durch Musik zum Numinosum — gilt das noch?

[Vortrag beim Symposion der Brixner Initiative Musik und Kirche im Oktober 2016]

Das ist eine gefährliche Frage. Gefährliche Fragen sind solche, die man vorgeblich sofort kurz und bündig beantworten kann. Durch Musik zum Numinosum – ja, das gilt. Das wird von manchen als gegeben angesehen. Die heuer erst gegründete Musikschule des Kreuzherrenordens in Wien führt als Logo den Satz „Durch Musik zu Gott“. Wir werden auch keine Schwierigkeiten haben, Menschen zu finden, deren Andacht durch Musik gefördert wurde oder die durch sakrale Musik zur Beschäftigung mit religiösen Inhalten gekommen sind, und wir haben auch Zeugnisse, dass so ein erloschener Glaube wiedergefunden werden konnte. Hier nur eines von unzähligen möglichen Zitaten:

Der berühmte Dichter Paul Claudel verlor in seiner Jugend den Glauben. Seine Bekehrung geschieht erst später, als er eines Tages die Kathedrale Notre-Dame in Paris betritt und das Magnifikat singen hört. Er erzählte, was er dabei fühlte: „In einem Nu wurde mein Herz ergriffen, ich glaubte. Ich glaubte mit einer so mächtigen inneren Zustimmung, mein ganzes Sein wurde geradezu gewaltsam empor gerissen, ich glaubte mit einer so starken Überzeugung, mit solch unerschütterlicher Gewissheit, dass keinerlei Platz auch nur für den leisesten Zweifel offen blieb.“

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Schlattner Eginald

Freiheit und Literatur

Gedanken und Anregungen eines Schriftstellers und Gefängnispfarrers

Ein Gespräch mit Eginald Schlattner

Man muss die künstlerische Freiheit wieder zurück auf den Boden holen.
Herta Müller
… und die Wahrheit wird euch frei machen.
Joh 8,32

Im Folgenden spricht Eginald Schlattner über die Dialektik von Freiheit und Unfreiheit. Ausgeleuchtet finden sich seine Erfahrungen in einer aufregenden Roman-Trilogie, die in der internationalen Feuilleton-Landschaft heftige Reaktionen auslöste und Dokumentar-Filmer wie Literaturkritiker kontrovers zu Stellungnahmen herausforderte. Sigrid Löffler äußerte beim Dichterfest in Erlangen 2001: „Die Geschichte der Siebenbürger Sachsen ist offensichtlich zu Ende. Aber dieses Ende ist in den Romanen von Eginald Schlattner exemplarisch aufgehoben – im Hegel’schen Sinne.“

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George Steiner

George Steiner, speaking at the Living Literacies conference (November 2002) at York University in Toronto, delivers a lecture on the history of literacy.

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George Steiner

George Steiner unterhält sich mit dem Universalgelehrten unserer Zeit, der in seinen Büchern das ganze Spektrum von Religion über Malerei, Philosophie, Literatur und Mathematik behandelt.

Sternstunde Philosophie vom 19.8.2012, SRF Kultur

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Tschuggnall Peter

Abraham-Isaak-Opferung

Abrahams Opfer(-Gang) ist ohne Zweifel eine jener biblischen Erzählungen aus Literatur, Musik und anderen Künsten, die Kunstschaffenden – gleich ob religiös, atheistisch oder agnostisch sozialisiert – als Kontext dienen. Neben vielen anderen regte diese Erzählung Kaiser Leopold I. schöpferisch an, Antonio Scarlatti, Carl Amand Mangold und Igor Strawinsky, Rembrandt und Marc Chagall. Philosophen wie Kant, Hegel und Schelling, Sartre, Simon de Beauvoir und Leszek Kolakowski wenden sich diesem Text leidenschaftlich zu, Autoren des 20. und 21. Jahrhunderts, im Besonderen in Erinnerung an die Shoah in der jüdischen Literatur nach 1945.

Der Text der Erzählung Gen 22,1-19 lautet:

Nach diesen Ereignissen stellte Gott Abraham auf die Probe: Er sprach zu ihm: Abraham! Er antwortete: Hier bin ich. Gott sprach: Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebst, Isaak, geh in das Land Moria, und bringe ihn dort auf einem der Berge, den ich dir nenne, als Brandopfer dar. Frühmorgens stand Abraham auf, sattelte seinen Esel, holte seine beiden Jungknechte und seinen Sohn Isaak, spaltete Holz zum Opfer und machte sich auf den Weg zu dem Ort, den ihm Gott genannt hatte.

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Tschuggnall Peter

Northrop Frye, der Mythos und die Bibel

STUDIA NIEMCOZNAWCZE Warszawa 2009, tom XLI

 

In Hinblick auf eine frühe Kultur, die er bestimmt und an der er seinerseits sich orientiert, kann der Mythos – nach Platon Ausdruck einer philosophischen Idee – als Deutungsversuch einer Wahrheit gesehen werden, die bestimmend ist, obwohl sie durch historisch gesicherte Fakten nicht belegt werden kann. Treffend charakterisiert dies der polnische Philosoph Leszek Kolakowski, der mit seinem Essay Die Gegenwärtigkeit des Mythos zu einer Erweckung des mythischen Bewusstseins anregen will. Erdachte und erzählte der frühe Mensch Mythen, so erfuhr er gerade darin die Ordnung des Daseins, denn er wusste von den Energien und Gesetzen, die die Wissenschaft feststellt, noch nichts. Mythos bedeutet im eigentlichen Sinne „Wort“, es besitzt Macht und Kraft, indem es wiederholt und immer wieder erzählt wird. Mythen können auch eine geheiligte Grundordnung bilden, die das Fortbestehen alter Vorstellungen, die in einem betreffenden Gebiet vorkommen, rechtfertigen oder einen Wandel vorantreiben. Nach Hans Blumenberg sind Mythen „Geschichten von hochgradiger Beständigkeit ihres narrativen Kerns“; ihre Beständigkeit ergibt den Reiz, „sie auch in bildnerischer oder ritueller Darstellung wiederzuerkennen. [...] Es ist das Verhältnis, das in der Musik unter dem Titel ‚Thema mit Variationen‘ in seiner Attraktivität für Komponisten wie Hörer bekannt ist. Mythen sind daher nicht so etwas wie ,heilige Texte‘, an denen jedes Jota unberührbar ist.“

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