Planyavsky Peter - TheoArt-komparativ

Planyavsky Peter

DURCH MUSIK ZUM NUMINOSUM – GILT DAS NOCH?

[Vortrag beim Symposion der Brixner Initiative Musik und Kirche im Oktober 2016]

Das ist eine gefährliche Frage. Gefährliche Fragen sind solche, die man vorgeblich sofort kurz und bündig beantworten kann. Durch Musik zum Numinosum – ja, das gilt. Das wird von manchen als gegeben angesehen. Die heuer erst gegründete Musikschule des Kreuzherrenordens in Wien führt als Logo den Satz „Durch Musik zu Gott“.[1] Wir werden auch keine Schwierigkeiten haben, Menschen zu finden, deren Andacht durch Musik gefördert wurde oder die durch sakrale Musik zur Beschäftigung mit religiösen Inhalten gekommen sind, und wir haben auch Zeugnisse, dass so ein erloschener Glaube wiedergefunden werden konnte. Hier nur eines von unzähligen möglichen Zitaten:

Der berühmte Dichter Paul Claudel verlor in seiner Jugend den Glauben. Seine Bekehrung geschieht erst später, als er eines Tages die Kathedrale Notre-Dame in Paris betritt und das Magnifikat singen hört. Er erzählte, was er dabei fühlte: „In einem Nu wurde mein Herz ergriffen, ich glaubte. Ich glaubte mit einer so mächtigen inneren Zustimmung, mein ganzes Sein wurde geradezu gewaltsam empor gerissen, ich glaubte mit einer so starken Überzeugung, mit solch unerschütterlicher Gewissheit, dass keinerlei Platz auch nur für den leisesten Zweifel offen blieb.“[2]

Dann passt ja alles, könnte man sagen. Aber wenn wir unsere Frage einmal unerbittlich grundsätzlich stellen, dann müssen wir zugeben, dass Claudel nur dadurch so ergriffen sein konnte, weil er natürlich wusste, was ein Magnificat ist; die Melodie selbst bringt keinen Glaubensakt hervor. Und man sollte sich auch überlegen, ob das Resultat so eindeutig wäre, wenn Claudel das Magnificat in einer Markthalle gehört hätte oder in einem Bahnhof. Vielleicht hätte er gar nichts gespürt. Es könnte allerdings auch sein, dass er dann umso mehr gepackt worden wäre, weil die als sakral erkannte Melodie in der besonders weltlichen Umgebung noch stärker geleuchtet hätte.

Außerdem wollen wir ja überlegen, ob das alles noch, heute noch gilt. Denn sonst könnten wir uns ja bequem auf den Standpunkt Martin Luthers zurückziehen, der Musik und Glauben in eine fast schon gewaltsame Beziehung bringt:

Wer solches mit Ernst gläubet, der kanns nicht lassen, er muß fröhlich und mit Lust davon singen und sagen, dass es auch andere hören und herkommen. Wer aber nicht davon singen will, das ist ein Zeichen, dass ers nicht gläubet und nicht ins neu fröhliche Testament, sondern ins alte, faule, unlustige Testament gehöret.[3]

Der Theologe und Kirchenmusiker Christoph Krummacher kommentiert das wie folgt:

Luther spricht hier nicht von der ihm geläufigen, ihn aber nur am Rande interessierenden Tradition, in der sich die theologische Würde der Musik daraus ableitet, dass die Musik in ihrer inneren Ordnung als Abbild der Schöpfungsordnung Gottes gesehen wird. (…) Er spricht aus einer existentiellen Glaubenserfahrung heraus und verknüpft diese mit der Erfahrung von Musik als lebendigwirkendem Geschehen statt als Spiegel ontologischer Gesetze.

Wenn ich das als Nicht-Theologe in aller Demut ein wenig einfacher ausdrücken darf:  Wenn Pater Martin an den lieben Gott und seine Schöpfung denkt, sind ihm Pythagoras und Guido von Arezzo egal, und es entfährt ihm ein unkontrolliertes Halleluja. Dass der Zusammenhang von Musik und Glaubensverkündigung bei Luther besonders innig ist, haben auch seine Gegner bemerkt. „Luthers Lieder haben mehr Seelen umgebracht als seine Schriften und Reden“, meinte der Jesuitenpater Adam Contzen 1620.[4]

Seit Luther sind 500 Jahre vergangen, und heute ist das alles ganz anders. Fast alles –denn das unkontrollierte Halleluja hat wieder Saison. Wir sehen immer wieder die Bilder von gut besuchten Erweckungs-Gottesdiensten der evangelikalen Kirchen, die vor allem in Südamerika überproportional Zulauf haben. Hier scheint ein solcher elementarer Zusammenhang von Glaubenserlebnis und musikalischer Äußerung gegeben zu sein. Wir aufgeklärten und abgeklärten Normalchristen sollten uns vor jeder Überheblichkeit hüten, wenn wir dieses Phänomen einordnen. Aber ist unsere titelgebende Frage denn jetzt schon mit Ja beantwortet?

Nein – nur zum Teil beantwortet! Denn hier wird ja offensichtlich zuerst geglaubt und dann gesungen. Auch geht es bei den meisten Menschen nicht so elementar zu; viele gebrauchen ihren Intellekt auch im Zusammenhang mit dem Glauben, und das ist gerade bei einfachen Fragen sehr zu begrüßen.

Unsere Frage scheint eben zunächst in die Kategorie der ganz einfachen zu gehören; wir haben schon Paul Claudel gehört und Martin Luther; wir können zurückgehen bis König David oder wenigstens bis Augustinus. Im Hintergrund lauert allerdings der Kern der Fragestellung: gibt es eine direkte Verbindung vom Klang zum Religiösen? Gibt es musikalische Formulierungen oder bestimmte Klänge, Intervalle oder Rhythmen, die uns zumindest erinnern an die Frage nach Gott oder sie vielleicht beantworten helfen? In der Romantik mit ihrem Überschwang wird so ein Zusammenhang mit großer Geste einfach behauptet. Ludwig Tieck schreibt 1799 in seinen Phantasien über die Kunst:

Wie es in der Religion ist, so ist es auch in allen hohen und übermenschlichen Dingen, ja man könnte sagen, dass alles Große und Höchstvortreffliche Religion sein müsse. Das Göttliche ist so beschaffen, dass der Mensch es erst glauben muß, ehe er es verstehn kann; (…) Denn die Tonkunst ist gewiß das letzte Geheimnis des Glaubens, die Mystik, die durchaus geoffenbarte Religion.[5]

Aber auch heutzutage werden Kunst und Glaube eng nebeneinander gesehen. Der Grazer Theologe Peter Ebenbauer drückt es so aus:

Wie jede Kunst besitzt auch die Musik die Eigenschaft, auf Transzendenz zu verweisen, und zwar dadurch, dass sie im Musizierenden wie im Hörenden eine Erfahrung auslöst, die die Grenzen der Endlichkeit zu durchbrechen vermag. Ein endliches Kunstwerk lässt Spuren des Unendlichen entdecken.[6]

In Friedrich Schillers Ode an die Freude findet sich die wohlbekannte Zeile: „Brüder – überm Sternenzelt muß ein lieber Vater wohnen.“ Viele von uns kennen das: Das besonders ‚Schöne‘ lässt uns vermuten, dass dahinter ein Urheber oder zumindest ein Agens zu finden sein muss. Auffällig daran ist das Wort „muss“; es bedeutet: Es geht ja wohl kaum anders; so ein Sternenzelt oder eine andere angenehme oder schöne Sache oder etwas Wunderbares – das kann ja nicht von selbst entstanden sein! Der Gedankengang ist als teleologischer Gottesbeweis bekannt. Wenige Zeilen verdichtet später Schiller den Gedanken noch ein wenig:

Was den großen Ring bewohne, huldige der Simpathie!
Zu den Sternen leitet sie, wo der Unbekannte tronet.

Der Unbekannte! Da ist es, das Numinosum – einmal abgeleitet aus dem Schönen, ein andermal begründet aus der „Simpathie“; gewagt etymologisch gedeutet also: aus dem Miteinander-Empfinden der Millionen, die „umschlungen seien“.

Das führt unweigerlich zunächst zur Frage: „Was ist schön?“ Denn wir Kinder des Neuen Testaments denken uns Gott als angenehm, vielleicht als schön, zärtlich, sympathisch. Wir haben wohl nicht in erster Linie den Jahwe des Alten Bundes vor Augen in seiner Wolke, mit seinem Zorn, mit seiner feindezerschmetternden Herrscherpersönlichkeit, mit seinen manchmal so kühlen Rahmenverträgen mit dem auserwählten Volk. Wohnt also einem Empfinden von Schönheit ein konkreter Impuls auf das Numinosum hin inne? Und können wir das auch für schöne Musik annehmen?

Der Versuch, hier eine Verbindung herzustellen, scheint zunächst auf wackeligen Beinen zu stehen, aber ein Streifzug durch Beiträge der zweiten Schicht (Interviews, Statements und dergleichen) zeigt, dass hier ein Trend herrscht. Ein Beispiel von vielen: Die deutsche Komponistin Brigitte Muntendorf drückt es so aus:

Spiritualität ist meine Energiequelle – sie bestimmt mein Handeln als Mensch und somit auch meinen Weg als Künstlerin. Sie ist für mich das Erkennen der Schönheit in der Vergänglichkeit. Mein Zuhause ist das Transzendente. (…) Spiritualität bedeutet für mich Authentizität und Wahrnehmen.[7]

Wenn wir einmal von der etwas verwaschenen Terminologie absehen: Das Wort Spiritualität dürfte hier, bewusst oder unbewusst, anstelle anderer, stärker mit dem Religiösen besetzten Ausdrücke stehen. In diesem Sinne äußert sich der Theologe Adolf Holl an anderer Stelle in derselben Publikation. Vor vielleicht dreißig oder vierzig Jahren habe er das vermehrte Auftreten des Wortes „Spiritualität“ in Zeitungsartikeln, Vorträgen und Büchern bemerkt. Die Öffentlichkeit habe geradezu versucht, das Wort „Religion“ zu vermeiden und durch „Spiritualität“ zu ersetzen. Heute sei Spiritualität, wie sie in der Gesellschaft gang und gäbe ist, zu einem Wellnessphänomen geworden.

Der von seinem Arbeitsalltag überforderte Manager begibt sich in ein Wellness-Hotel und findet dort einen schön eingerichteten Raum, in dem Meditationsmusik gespielt wird und Räucherstäbchen brennen. Und er legt sich auf den Rücken, starrt in die Luft und ist seiner Meinung nach spirituell unterwegs. Tatsächlich hat er nichts riskiert. Denn dieses sogenannte spirituelle Erlebnis hat kaum Auswirkungen auf seinen Alltag.[8]

Der kurze Exkurs diente nur der Verdeutlichung, dass die semantisch weniger fixierten Termini im Vormarsch sind – so wie wir ja in unserer Überschrift auch das „Numinosum“ haben anstatt den lieben Gott oder Allah. Wir kehren zur Frage zurück, wie man Schönheit, Grauen oder Sehnsucht direkt in der Musik finden kann.

Der Wunsch, es möge doch so sein, begegnet uns ja immer wieder. Ob man die Sirenen dazu rechnen darf, die Odysseus mit ihrem Gesang betört haben, scheint fraglich, denn da wird wohl der Gedanke an die Sängerinnen seinen Anteil an der Betörung haben. Helmut Kraussner hat einen Roman mit dem Titel Melodien veröffentlicht. Er handelt vom Alchimisten Castiglio, der die ungeheuerliche Entdeckung macht, dass es bestimmte Melodien gibt – er nennt sie Tropen –, die den Menschen im Guten wie im Schlechten zu beeinflussen vermögen. Diese Musikstücke wandern im Verborgenen von Hand zu Hand, gehen verloren, wandeln sich und werden verwandelt.[9] Wiewohl nur Fiktion, zeigt der Plot doch, wie sehr uns dieser vermeintliche Direktzusammenhang doch beschäftigt.

In der Musikästhetik verfolgt man das Hörerlebnis und seine Wirkung bis an die Wurzel, und der Befund ist ernüchternd. Ursula Brandstätter, Rektorin der Bruckner Musikuniversität Linz und Spezialistin auf diesem Gebiet, schreibt:

Musik ist – von einigen Sonderfällen abgesehen – nicht in der Lage, einen konkreten Gegenstand oder eine konkrete Person zu bezeichnen. (…) Wenn wir Musik als traurig oder als majestätisch empfinden, so müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass niemals die Musik selbst diese Eigenschaften besitzt: Denn Musik ist kein Lebewesen, das traurig sein kann oder über eine majestätische Ausstrahlung verfügt. Wir weisen der Musik diese Eigenschaften immer im übertragenen Sinn zu.[10]

Einem Organisten fällt an dieser Stelle natürlich sofort Olivier Messiaen ein, der kaum eine Note geschrieben hat, die nicht ins Religiöse führt (um das fürs erste einmal sehr populär auszudrücken). Genauer gesagt, handelte es sich bei Messiaen um auskomponierte Theologie. Und wenn es einmal weniger war als das, dann waren es noch immer religiöse Gefühle, die er entweder beim Komponieren hatte oder die er im Hörer hervorrufen wollte, oder es waren komplexe theologische Inhalte, die er teils musikalisch verschlüsselt, teils in einer Noten-Buchstabenschrift[11] darstellte. Schließlich standen in seiner 7000 Bücher starken Bibliothek etwa 1000 mit theologischem Inhalt.[12]

An einen so dichten Zusammenhang zwischen Musik und Religion, namentlich ohne Zuhilfenahme von gesungenem Text, musste man sich erst langsam gewöhnen. Die folgenden Anmerkungen zu Messiaen aus dem Jahr 1953 passen gut zu unseren bisherigen Erwägungen, denn sie benennen die Ungewissheit, ob Musik umweglos Inhalte ausdrücken kann:

Merkwürdig berührt das Voranstellen eines Zitats aus der Heiligen Schrift oder aus der Liturgie bei jedem Stück. (…) Jegliche Instrumentalmusik ist wohl in ihrer Aussage zu wenig begrifflich fassbar, um Vorstellungen solch sublimer Art vermitteln zu können, wie sie in Messiaens Schrift- und Liturgiezitaten angedeutet sind. Derartige Aufgaben dürften, wenn sie überhaupt der menschlichen Musik erreichbar sind, der Gesangsmusik vorbehalten sein. Ohne Kenntnis der Titel ahnt jedenfalls kein Hörer die hochgespannten Absichten des Komponisten.[13]

Zurück zu Ursula Brandstätter, die immerhin zwei Hinweise gibt, warum mit Musik trotz allem so intensive Wirkungen auf den Hörer gelingen:

Eine nach wie vor sehr erhellende Theorie stammt von Georg Knepler. Er geht von einem gemeinsamen Ursprung von Musik und Sprache aus. (…) In der Sprache sind die biogenen Einstimmungselemente etwa in Form von Sprachklang, Rhythmus und Tempo bis heute noch untergründig wirksam; der Schwerpunkt der Sprachfunktion hat sich jedoch auf die Ebene der wortgebundenen Bedeutung verlagert. In der Musik könnte man die umgekehrte Entwicklung beobachten: Hier liegt der Schwerpunkt der Wirkung weiterhin in den biogenen Einstimmungselementen begründet, während die Ebenen der konkreten Bedeutungen zweitrangig sind.[14]

Einen ähnlichen Gedankengang äußerte der finnische Dirigent Esa-Pekka Salonen in einem Interview in einer sechsten Gymnasialklasse in Wien:

Ich habe da meine eigene Theorie: Zu Beginn der Menschheit waren Musik und Sprache eins. Als die Menschen sesshaft wurden, entwickelten sich Sprache und Musik auseinander. Die Sprache wurde präziser, Dinge wurden benannt und beschrieben. Für das Kognitive wurde also die Sprache zuständig, der Ausdruck von Emotionen war der Musik vorbehalten. Es gibt keine menschliche Kultur ohne Musik, in welchem Erdteil auch immer.[15]

Es scheint also eine Aufgabenteilung von Sprache und Musik zu geben: auf der einen Seite Präzision und Ratio, auf der anderen weniger davon, aber dafür der Zugang zum Gemüt, zum Herzen, zum Thymos. Der Kirchen- und Schulmusiker Christoph Richter folgt diesem Gedankengang, wenn er über die liturgisch eingebaute Kantate schreibt:

Man kann die Kirchenkantate als eine Art zweiter Predigt verstehen. Gegenüber der Wortpredigt hat sie den Vorteil, dass die Interpretation möglicherweise direkter wirkt und über den Verstand hinaus sinnlich wahrgenommen wird. Sie verzichtet auf logisch argumentierende Gedankengänge und begriffliche Schärfe, die ja immer auch Einschränkung bedeuten [!]. Aber durch ihre eigenen Mittel, direkt und körperlich zu wirken, Emotionen zu entzünden, Zusammenhänge und Beziehungen zu verdeutlichen und gleichzeitig Verschiedenes auszudrücken, wird man vielleicht entschädigt.[16]

Im Sinne strenger Logik kann Musik also nichts aussagen. Und doch kann sie so viel bewirken!

Ein andere Überlegung geht dahin, dass der Hörsinn inniger mit dem menschlichen Körper verbunden ist als der Gesichtssinn und dass es allein dadurch zu tieferem Erleben kommen kann bzw. dass sich der Hörende weniger leicht der Wahrnehmung entziehen kann. Nochmals Ursula Brandstätter:

Bilder vergegenwärtigen uns in ihrer Präsenz das Absente. Sie führen uns Wirklichkeiten vor Augen, die – über den distanzierenden Sehsinn wahrgenommen – der identifizierenden Erkenntnis zur Verfügung gestellt werden. Die Musik hingegen scheint von außen in uns einzudringen. Der involvierende Hörsinn vermittelt uns den Eindruck, als Hörende im Zentrum des Geschehens zu sein. Im hörenden Vollzug scheinen sich die Grenzen zwischen Subjekt und Objekt aufzulösen.[17]

Auch hier ein Versuch, das volkstümlich auszudrücken: Wenn ich etwas anschaue, ist Luft zwischen mir und dem Objekt. Wenn ich etwas höre, passiert das sozusagen in meinem Körper.

Noch radikaler, nämlich bis in den einzelnen Klang hinein, dringt Martin Ebeling vor. Wir können ihm glauben, denn er ist sowohl als Kapellmeister tätig als auch habilitiert in systematischer Musikwissenschaft. Er befasst sich mit der Frage nach der Schönheit und bezieht sich dabei vor allem auf einen der Gründerväter der Tonpsychologie, Carl Stumpf (1848–1936).[18] Konsonanz und Dissonanz werden hier nach dem Grad der Verschmelzung zweier oder mehrere Töne definiert, und dies ist ein Phänomen, das sich mathematisch messen lässt und dessen Wirkung man aus der Neurophysik begründen kann. Zwei Äußerungen erscheinen hier für unser Thema wichtig:

Das wichtige Grundverhältnis der Verschmelzung und die damit zusammenhängenden Phänomene von Konsonanz und Dissonanz sind Empfindungstatsachen, die als solche unbedingt anzuerkennen sind, aber es sind keine Gefühle. (…) Erst die Gemütsbewegungen, zu denen ganz entscheidend Denkvorgänge – also höhere intellektuelle psychische Funktionen wie etwa das Urteilen – notwendig sind, entsprechen dem, was man „Gefühle“ nennt. Aus diesem Grund können Sinnesempfindungen auch keine ästhetischen Gefühle und Werturteile begründen. Insbesondere kann aus der Wahrnehmungstatsache der Tonverschmelzung nicht direkt auf ästhetische Normen geschlossen werden.[19]

„Wenn er sich da bloß nicht täuscht“, ist vielleicht unser erster Reflex. Braucht es denn wirklich „höhere intellektuelle psychische Funktionen“, um bei strahlendem D-Dur in festliche Stimmung zu kommen oder bei einem düsteren verminderten Akkord zu erschauern? Der Schauer folgt doch in so dichter zeitlicher Folge auf den verminderten Akkord, besser gesagt: Er tritt so rasch ein, dass da für eine Reflexion irgendeiner Art kein Platz zu sein scheint. Und doch wird man dem Psycho-Akustiker recht geben müssen: Der verminderte Akkord selbst erzeugt keinen Schauer.

Wenn es den allein physikalisch-vegetativen Zusammenhang gäbe, müsste der Schauer jedes Mal eintreten, genauso wie ein Nadelstich jedes Mal zur Schmerzempfindung führen müsse. Es ist schon so, wie es Ebeling dann im Weiteren beschreibt: Nur im Zusammenhang mit dem vorher Gehörten und vor dem Hintergrund vieler gehörter verminderter Akkorde und ihrer jeweiligen Umgebung stellt sich der kleine Schrecken ein, mag es uns noch so unbewusst sein.

Die andere interessante Information erhalten wir aus einer Einordnung verschiedener Intervalle je nach ihrer Verschmelzung:

Im Oktavintervall verschmelzen beide Töne am stärksten; […] weniger stark, aber immer noch erheblich verschmelzen Quinten, weniger stark die Quarten, gefolgt von den weniger verschmelzenden unvollkommen konsonanten Intervallen der Terzen und Sexten.“

Das widerspricht unserer unmittelbaren Erfahrung. Gerade wir als Alpenländler spüren die Terz und die Sext als die natürlichsten Intervalle; dass da andere Töne besser zusammenpassen sollen, ist für uns nicht ohne weiteres einsichtig. Aber die Terz ist ein weiter entfernter Teilton als die Quint, und eine Quint ist beim Stimmen viel leichter rein zu bekommen als eine Terz. Was hat das mit unserer Frage zu tun? Es weist uns darauf hin, dass wir uns sozusagen darauf geeinigt haben, das problematischere Intervall Terz als natürlicher zu empfinden als das physikalisch reinere der Quint. Auch hier handelt es sich um Konnotation, oder um Gewohnheit – aber nicht um einen Konnex, den man dingfest machen könnte. Auch hier bilden wir uns etwas ein, das es so nicht gibt.

Aber nehmen wir andererseits auch die folgende Beobachtung von Bernd Oberhoff zur Kenntnis. Auch ihm können wir glauben, denn er ist nicht nur Sozialtherapeut und diplomierter Psychologe, sondern hat lange einen Kammerchor geleitet. Er schreibt über gregorianischen Gesang und seine frühe Aufführungspraxis:

Die Oktave ist vom Einklang kaum zu unterscheiden, sie ist nahezu identisch mit dem Grundton und bildet mit ihm eine undifferenzierte Einheit. Zusammen mit der Quinte, die ohne das Hinzutreten der Terz ebenfalls etwas Leeres hat, entsteht im Hörer ein atmosphärischer Eindruck von Unendlichkeit und Ewigkeit. (…) Oftmals finden wir im frühen gregorianischen Gesang noch einen Halteton oder Liegeton, auf dem die tiefen Männerstimmen orgelpunktartig ausharren. Als nahezu ewiger klingender Ton ist er ein sehr eindrückliches Sinnbild für den göttlichen Urgrund, der alle Gläubigen trägt und hält.[20]

Ein Sinnbild – oder löst der Dauerton tatsächlich den Gedanken an die Ewigkeit aus? Würde das auch bei einem in keiner Weise vorgebildeten Einwohner einer entlegenen Insel funktionieren? Möglich wäre es – denn so ein Dauerton ist zunächst einmal ein unnatürliches akustisches Phänomen und könnte so auf das Nicht-Vorhandene, auf einen Hinter-Sinn oder auf ein Außerhalb verweisen. Es bleibt hier ein Fragenzeichen stehen.

Jetzt möchte ich aber ein Zwischenresümee ziehen und mich aus den mir gar nicht naheliegenden Gebieten der Psychoakkustik wie der Physik rasch zurückziehen: Ein Intervall, ein Akkord oder ein beliebiges musikalisches Gebilde erscheinen uns hart oder weich, schön oder weniger schön, und zwar nicht apriorisch aus sich selbst, in einer direkten Ursache-Wirkung-Beziehung, sondern nur auf Grund eines Kontextes, und sei er uns noch so unbewusst und minimal.

Als persönliche Anmerkung möchte ich gestehen, dass mich die Frage „Wieso wissen wir, dass etwas schön ist?“ immer wieder beschäftigt. Wieso empfinden wir das Blau des Himmels als schön? Er könnte ja grün sein, denn auf unserem Planeten ist das die Farbe des Lebens, und wahrscheinlich deshalb herrscht Konsens, dass diese Grundfarbe der Natur für unser Auge besonders angenehm ist. Und so wäre es denkbar, dass uns diese Absenz des Grünen daran hindern könnte, den Himmel als schön zu empfinden. Aber wie wir wissen, verhält es sich nicht so. Vermutlich handelt es sich auch hierbei um eine Sache des Kontextes: Eine durchgehende Wolkendecke verheißt uns Regen oder Schneefall; dies und die Absenz von Sonnenwärme lassen uns den blauen Himmel als erhofftes Gut erscheinen, und so empfinden wir seinen Anblick als schön. Ja, so könnte es sein – aber ein Rest von Geheimnis bleibt. Denn auch ein Gewitter in den Bergen kann schön anzusehen sein – trotz Regen und Kälte und der Gefahr eines Blitzschlages.

Zurück zur Musik und ihrer Unfähigkeit, Konkretes auszusagen. Aber offensichtlich wünschen sich viele mehr oder weniger deutlich, es möge doch so einen direkten Weg vom Klang zum Inhalt geben; flapsig ausgedrückt: Wenn es ihn nicht gibt, dann müsste man ihn erfinden. Kein Geringerer als Ferruccio Busoni hat im Zusammenhang mit der Oper geschrieben:

„An welchen Momenten ist die Musik auf der Bühne unerlässlich?“ Die präzise Antwort gibt diese Auskunft: „Bei Tänzen, bei Märschen, bei Liedern und – beim Eintreten des Übernatürlichen in die Handlung.“ [21]

Derselbe Busoni räumt allerdings auch an anderer Stelle ein:

Es gibt keine „Kirchen“-Musik an und für sich; sondern absolut nur Musik, der entweder ein kirchlicher Text unterliegt, oder die in der Kirche aufgeführt wird [!]. Ändern Sie den Text, so ändert sich scheinbar auch die Musik. Nehmen Sie den Text ganz fort, so bleibt – illusorisch – ein symphonischer Satz.[22]

Das braucht nicht erneut mit psychoakustischen Ansätzen untermauert zu werden; denken wir an das wohlvertraute Phänomen der Kontrafaktur bzw. an das Parodieverfahren. Wir können uns schwer vorstellen, dass das Lied O Haupt voll Blut und Wunden nicht mit dem Themenkreis Passion, Kreuz und Leiden zu tun hat. Und doch hat Hans Leo Hassler diese Melodie ursprünglich zum Liebeslied „Mein G‘müt ist mir verwirret“ geschaffen und 1601 in der Sammlung „Lustgarten Neuer Teutscher Gesaeng“ veröffentlicht. 1611 unterlegte dann Christoph Knoll als erster einen von vielen folgenden geistlichen Texten, nämlich „Herzlich tut mich verlangen“, ein Lied über die Vergänglichkeit des Menschen und der Welt. Erst 40 Jahre später schuf dann Paul Gerhardt den wohl bekanntesten Text „O Haupt voll Blut und Wunden“, eine Nachdichtung des Passionshymnus „Salve caput cruentatum“ von Bernhard von Clairvaux. [23] Von Paul Gerhardt gibt es im jüngsten evangelischen Gesangbuch noch einen weiteren Text zur Melodie (Ich bin nur Gast auf Erden, Nr. 529) sowie eine Textierung von 1898 aus Siebenbürgen Noch kann ich es nicht fassen (Nr. 531), beides Lieder für Tod und Begräbnis. Schließlich hat Johann Sebastian Bach die Melodie mehrmals mit verschiedenen Texten verwendet, allein viermal in der Matthäuspassion.[24] Nicht zuletzt dadurch ist die Melodie für uns mit Passion konnotiert, aber man könnte nie aus der Melodie allein auf den Text schließen; allenfalls lässt sich ohne Kenntnis des Textes sagen, dass es sich um kein fröhliches Stück handeln dürfte. Ähnlich ist es mit vielen Kirchenliedern; zu den am häufigsten mit neuen Texten versehenen Melodien gehören Valet will ich dir geben[25] – bei uns besser bekannt unter Den Herren will ich loben – und O Welt ich muss dich lassen. Letzteres Lied geht bekanntlich auf Heinrich Isaaks weltliches Innsbruck, ich muss dich lassen zurück.[26] Dies führt fast schon von unserem Thema weg, soll aber untermauern, dass aus einer nackten Melodie allein sich kein unmittelbarer inhaltlicher Bezug gewinnen lässt zum Inhalt.

Selbstverständlich aber gibt es Signalwirkungen von Melodien oder sogar von kleinsten Melodieteilen; aber auch das läuft immer über Konnotierung oder Kontext, in den meisten Fällen also als Erinnerung an einen bestimmten Text oder eine Situation. An dieser Stelle sollte man übrigens an das erstaunliche Phänomen erinnern, dass urspünglich weltliche Musikstücke religiöse Emotionen auslösen können. Auf die Tatsache, dass Felix Mendelssohns „Hochzeitsmarsch“ kein auch nur annähernd sakrales Stück ist, wurde schon mehrfach hingewiesen.[27] Ein Beispiel dafür ist auch die Arie Ombra mai fu, besser bekannt unter „Das Largo von Händel“ aus der Oper Xerxes (1738).[28] Allerdings stimmt nachdenklich, dass hier eine schattenspendende Platane besungen wird – und dieser Baum war in Persien eine Art heilige Pflanze, Sinnbild für das Numinosum. Wusste Händel das? Hat er daran gedacht, als er seine sakral anmutende Arie komponiert hat?

Unter die Signalwirkungen fallen auch ganze Systeme, etwa das der musikalischen Rhetorik; von Wechselwirkungen von Sprache und Musik war ja bereits die Rede.[29] Eng verbunden damit sind die sogenannten Affekte, wie sie in der Barockzeit anzutreffen sind, des Weiteren auch das Gebiet der Tonartensymbolik, in dem etwa Es-Dur „viel Pathetisches an sich hat“ oder h-Moll „unlustig und melancholisch“ bedeuten kann.[30] Freilich sind die Charakteristika der Tonarten durch die Einführung der gleichschwebende Stimmung verblasst – besser gesagt: so gut wie eingeebnet worden. Schließlich hat man in der Barockzeit auch Intervallen bestimmte Eigenschaften zugeordnet bzw. sie wie Vokabel verwendet; so hat etwa die aufsteigende große Sext Sehnsucht bedeutet.[31] Es bleibt allerdings dabei: All das funktioniert nur innerhalb des weiten Feldes von Erinnerung, Vergleich, Konnotation und Metapher.  

Wir stellen fest: Die Musik kann religiöse Gefühle im Hörer erwecken, und dies sogar in Fällen, bei denen es sich gar nicht um religiös intendierte Stücke handelt. Aber schon längst ist uns klar, dass die Musik allein aus sich heraus das gar nicht kann – und dabei sollten wir es jetzt belassen. Fragen wir, wie es heute um diese Suggestivkraft der Musik steht.

In einer großangelegten Umfrage, die 2013 vom Liturgiereferat der Erzdiözese Wien durchgeführt wurde, taucht immer wieder die Musik als besonders wichtiges Element des Gottesdienstes auf. „Die Einbeziehung der eigenen Lebenswelt der Gläubigen verlangt nach einer ‚persönlichen‘ Messgestaltung. Auf die Frage, wie dies geschehen kann, werden Fürbitten, Predigt und – auffallend häufig – die Auswahl der Musik genannt.“ Und später: „Der Musik im Gottesdienst wird in allen Gesprächen ein hoher Stellenwert eingeräumt, da sie für das emotionale Erleben zentral sei. Das zeigt sich auch in der geübten breiten Ausdifferenzierung musikalischer Möglichkeiten: ‚für jeden‘ sollte etwas dabei sein.“[32]

Aufschlussreich sind einige Überlegungen, die Christoph Krummacher mitgeteilt hat. Hier scheinen Erfahrungen durch, die der Theologe und Kirchenmusiker in der ehemaligen DDR gemacht hat:

Kirchenmusik senkt gerade für diejenigen, die sonst eher zögerlich oder gar nicht zum Gottesdienst in die Kirche kommen, die Eintrittsschwelle der Kirche. (…) Es hat sich gezeigt (sc. durch mehrere Umfragen), dass bei vielen evangelischen Christen und ebenso bei Kirchenfernen nicht nur ein besonderes Interesse an kulturellen Angeboten der Kirche besteht, sondern dass deren kirchenmusikalische Veranstaltungen überhaupt die bevorzugte Form der Partizipation am kirchlichen Leben darstellen. [33]

Hier handelt es zwar nicht um die geheimnisvolle umweglose Wirkung, die wir so gerne entdeckt hätten, aber eine Wirkung gibt es allemal. Deutlicher wird der Autor an anderer Stelle:

Man erinnere sich auch daran, dass in kommunistischen Ländern Orgelkonzerte in Kirchen von Besuchern geradezu überrannt wurden; sei es, dass man sich nur auf diese Weise in einen Sakralraum begeben konnte, ohne deswegen als ideologisch gefährdet aufzufallen; sei es, dass man so dem Weltlichen entfliehen oder gar eine Spur des Numinosen erleben konnte.[34]

Sakrale Musik wird oft auch als Brücke in die Vergangenheit, als Verbindung mit der Tradition gespürt, wie Christoph Richter erläutert:

Die christliche Gemeinde bildet durch die Tradition bestimmter Lieder und Texte einen Zusammenhang durch die Zeiten. Mit anderen Worten: der Begriff der „Gemeinde“ ist nicht nur synchron zu verstehen, sondern auch diachron, als Zusammengehörigkeit der Gemeinde durch alle Zeiten hindurch.[35]

Ähnlich beschreibt es Krummacher:

Kirchenmusik hält zu biblischen, frömmigkeitsgeschichtlichen und kirchenjahrgeprägten Traditionen Brücken instand, die sonst von vielen Menschen nicht mehr betreten werden.[36]

Es braucht nicht erst durch Umfragen abgesichert zu werden, dass in vielen Fällen einfach auch eine ästhetische Sehnsucht befriedigt wird. Ein guter Seelsorger hat hoffentlich Verständnis dafür, so wie der Benediktiner Adalbert Seipold es formuliert:

Für viele unserer Zeitgenossen ist die Musik oft das letzte Band, das sie mit ihrem Kinderglauben verbindet. Geistliche Profis halten im Allgemeinen nicht viel von den sogenannten Kulturchristen, die nur aus ästhetischen Gründen Kirchen besuchen, ihre religiösen Bedürfnisse mit Bachkantaten befriedigen [...] und in Mozarts ‚Ave verum‘ den schönsten Gottesbeweis erblicken. Doch seien wir in unserem Urteil vorsichtig.[37]

Alles schön und gut – aber genau besehen führt hier die Musik in die Kirche oder in die Gemeinschaft. Es wird Zeit, zur ursprünglichen Frage zurückzukehren, an der wir ja nicht vorbeikommen: Durch Musik zum Numinosum? Die Antwort lautet: Ja, aber wir wissen nicht, wieso. Wir wissen auch nicht, bei wem die Musik wie viel bewirkt hat. Selbst wenn wir hier mit einem hohen Stapel an Zitaten auffahren und zwanzig Zeitgenossen Zeugnis ablegen lassen darüber, dass sie davor ungläubig und danach gläubig waren: Wir können nie ausschließen, dass ein Glaubenskeim schon vorher geschlummert hat oder dass durch eine Erinnerung eine Brücke geschlagen wurde im Sinne der Konnotation, über die schon viel gesagt wurde. – Aber ein allerletztes Zitat werden wir uns noch genehmigen, denn das bringt uns dem Kern der Frage noch einmal ziemlich nahe. Philipp Harnoncourt, der Doyen der österreichischen Liturgie-und-Musik-Denker, schreibt:

Musik und Gesang werden primär nicht mit dem Verstand rezipiert – auch wenn Musik viel rational Verständliches enthält –, sondern emotional erfasst. […] Es gibt Erfahrungen von existenzieller Bedeutung für den Menschen, die sich dem rationalen Verständnis entziehen und durch Worte allein weder beschrieben noch mitgeteilt werden können. (…) Dieser Wirkung kann sich der Mensch nicht entziehen, weil sie von der willkürlichen Aufmerksamkeit nahezu unabhängig ist und sich rational nicht steuern lässt.[38]

Existentielle Bedeutung; nicht primär mit dem Verstand, aber doch auch mit dem Verstand; Mitteilung über das Wort hinaus; und dieses Sich-nicht-entziehen-Können – das alles sind Elemente, die auch für den Glauben gelten und für die Suche nach dem Numinosum. Diese Ingredienzien braucht es für den Humus, auf dem diese gewisse Verbindung entstehen kann, die wir doch kaum beschreiben und schon gar nicht beweisen können. Vielleicht trägt Kunst in ihrer letzten Un-Notwendigkeit per se einen Keim des Transzendenten in sich – wobei man das Wort ernst nehmen muss: darüber-hinaus-gehen, oder, um das "trans-" besser einzufangen: hindurch-gehen auf die andere Seite. Bleibt es also dann beim Geheimnis?

Ganz zu Beginn habe ich von der neuen Musikschule des Kreuzherrenordens in Wien erzählt, deren Werbelinie den Satz „Durch Musik zu Gott“ enthält. Aber so ganz allein darauf wollen sich die Kreuzherren doch nicht verlassen. In dieser Musikschule gibt es nämlich das Pflichtfach „Religion“. Man sieht: Es bleibt ein Geheimnis, ob und wie Musik auch heute noch nach oben führt.

[1] https://www.khms.at.

[2] Zitiert nach: José Tolentino Mendonca, Die Kunst, zur eigenen Mitte zu finden, S. 149f.

[3] Zitiert nach: Christoph Krummacher, Kirchenmusik – Luxus oder Notwendigkeit? In: ders., Kirchenmusik in Theorie und Praxis [= Schriften 10 der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig], Olms 2014, S. 195.

[4] Eckhard Jaschinski, Stationen der Entwicklung katholischer Kirchenmusik in Europa.- In: Wolfgang W. Müller (Hg.), Musikalische und theologische Etüden. Zum Verhältnis von Musik und Theologie. Zürich 2012, S. 57.

[5] Wilhelm Heinrich Wackenroder, Phantasien über die Kunst, 1799, Leipzig 1921, S. 188, zitiert nach: Emmanuela Kohlhaas, Musik und Spiritualität. Musik als Raum der Gotteserfahrung? In: Winfried Bönig (Hg.), Musik im Raum der Kirche. Fragen und Perspektiven. Stuttgart/Ostfildern 2007, S. 80–94, hier S. 85.

[6]  Peter Ebenbauer, Zum Verhältnis zwischen liturgischem Ritus und dessen musikalischer Gestalt. Singende Kirche 46/3, 1999, S. 143-147.

[7] Exkurs „Brigitte Muntendorf“ im Themenheft „Spiritualität als Gnade und Zumutung“, Österreichische Musikzeitschrift 06/2015, S. 9. Hervorhebung von P.P.

[8] Johannes Prominczel, Adolf Holl über Spiritualität und Heilige Geister. Österreichische Musikzeitschrift 06/2015, S. 6–8. Hervorhebung von P.P.

[9] Helmut Kraussner, Melodien. Hamburg 2002.

[10] Ursula Brandstätter, Grundfragen der Ästhetik. Bild – Musik – Sprache – Körper. Köln, Weimar, Wien 2008, S. 141f.

[11] Vgl. das Kapitel „Un Langage communicable“, in: Theo Hirsbrunner, Olivier Messiaen. Leben und Werk. 2. ergänzte Auflage. Laaber 1999, S. 180–183.

[12] Dorothee Brunner, Farbklang und Geblendetsein in der Begegnung mit dem eucharistischen Herrn. Die Gebetssätze des Livre du Saint Sacrement von Olivier Messiaen als Beitrag zu einer Erneuerung und Vertiefung der eucharistischen Gebetspraxis. Diplomarbeit, Freiburg im Breisgau, Juli 2009. S. 22

[13] Walter, Rudolf: Musica orans, 5. Jahrgang, Nr. 3/4, [Mai 1953], S. 9–12, hier S. 10. Hervorhebung von P.P.

[14] Brandstätter, a.a.O., S. 141. Hier wird verwiesen auf: Georg Knepler, Geschichte als Weg zum Musikverständnis. Leipzig 1977, S. 125ff; das Zitat wurde im Sinne einer besseren Hörsamkeit im gesprochenen Vortrag grammatikalisch etwas verändert.

[15] Esa-Pekka Salonen, „Musik kann etwas ausdrücken, was nicht beschreibbar ist.“ Musikblätter der Wiener Philharmonker, 65. Jahrgang, Wien 2011, Folge 3, S.117–120 .

[16] Christoph Richter, Religiöse Erfahrungen mit Musik. Altenmedingen 2004. S. 37; 20f; das Zitat wurde im gesprochenen Vortrag im Sinne einer besseren Hörsamkeit grammatikalisch etwas verändert.

[17] Brandstätter, a.a.O. 159f.

[18] Martin Ebeling, Bestimmt das Konsonanzphänomen, was schöne Musik ist? Österreichischer Komponistenbund, Mitgliederinformation Herbst/Winter 2015/2016, S. 11–12.

[19] Ebd., Hervorhebungen von P.P.

[20] Bernd Oberhoff, „Diese Musik versteht mich!“ – Die Musik als Selbstobjekt. S. 9–38. In: Bernd Oberhoff (Hg.), Die Musik als Geliebte. Zur Selbstobjektfunktion der Musik. Gießen 2003.

[21] Ferrucio Busoni, Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst. Kommentierte Neuausgabe von Martina Weindel, Wilhelmshaven 2001, Zeile 485–498. Hervorhebung von P.P.

[22] Busoni in seinem Essay Junge Klassizität (1920), zitiert im Kommentar (siehe vorhergehende Fußnote), S. 101f.

[23] Handbuch zum Evangelischen Kirchengesangbuch, Band I, 2. Teil: Rudolf Köhler, Die biblischen Quellen der Lieder, Berlin 1964, 128f. sowie Informationen aus dem Evangelischen Kirchengesangbuch, o. J. [1954]

[24] Matthäuspassion: Erkenne mich, mein Hüter (Nr. 21); Ich will hier bei dir stehen (Nr. 23); Befiehl du deine Wege (Nr. 53) Wenn ich einmal soll scheiden (Nr. 72); des Weiteren im Weihnachtsoratorium: Wie soll ich dich empfangen (Nr. 5) und Nun seid ihr wohl gerochen (Nr. 64).

[25] In den evangelischen Gesangbüchern finden sich zwei weitere Textierungen. Im „alten“ Gotteslob (1975) incl. Diözesananhänge gibt es 12 Lieder zu dieser Melodie.

[26] Im Evangelischen Gesangbuch (1998) gibt es 6 weitere Texte zu diesem Lied.

[27] Über diesen und ähnliche Fälle: Peter Paul Kaspar, Wer hat das Ave Maria geklaut? Salzburg 2016.

[28] Vgl. Niko Firnkees, Sakrale Musik nach 1945 als musikpädagogische Aufgabe. Augsburg 2000, bes. S. 25–29, wo Abgrenzungen zwischen religiöser, sakraler und geistlicher Musik versucht werden und weitere grenzüberschreitende Werke genannt werden.

[29] Einen Überblick über die hier besprochenen Systeme gibt zum Beispiel: Hartmut Krones / Robert Schollum, Vokale und allgemeine Aufführungspraxis, Wien und Köln 1983.

[30] Eine der Hauptquellen diesbezüglich ist Johann Mattheson, Das Neu-Eröffnete Orchestre (1713), hier zitiert nach: Jacobus Kloppers, Die Interpretation und Wiedergabe der Orgelwerke Bachs, Frankfurt/M. 1966, S. 133–137.

[31] Ebd., S. 140f.

[32] Umfrage Gottesdienst. Hg. Liturgiereferat der Erzdiözese Wien im Auftrag des Leitungsteams des Diözesanen Entwicklungsprozesses APG 2.1, 2015.

[33] Krummacher, a.a.O., S. 308. Hervorhebung im Original.

[34] Vgl. ebd., S. 191-202. „Kirchenkonzerte waren offenbar gerade für kirchenferne Zuhörer wichtig, weil sie einen Schutzraum boten, in dem der Einzelne Inhalten begegnete, die ihm sonst vorenthalten wurden, und er zugleich forderungsfrei seine innere Nähe oder Distanz zum Gehörten selber bestimmen konnte.“

[35] Richter, a.a.O., S. 20.

[36] Krummacher a.a.O., S. 309

[37] Adalbert Seipolt, Am Halleluja ist die Macht des Atheismus zerbrochen. Musica sacra, 112. Jg./ 6, 1992, S. 443-445.

[38] Dieses Zitat entstammt dem Kapitel „Wort und Musik im Gottesdienst“ in: Gottesdienst der Kirche. Handbuch der Liturgiewissenschaft, Teil 3, Regensburg 1992, S. 41-248, das insgesamt von einem Autorenkollektiv verantwortet wird; den Abschnitt „Singen und Musizieren“ hat Philipp Harnoncourt verfasst.

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