Planyavsky Peter - Musik für die Kirche - Musik in der Kirche - Musik trotz der Kirche - TheoArt-komparativ

Planyavsky Peter

Musik für die Kirche – Musik in der Kirche – Musik trotz der Kirche

[Vortrag beim Symposium der Brixner Intitiative Musik und Kirche 2014 in Brixen/Bressanone]

 

Musik für die Kirche – das heißt am Beginn natürlich: Musik für die Liturgie.
Für die Liturgie – ja für welche Liturgie? Wir Kinder des 20. Jahrhunderts schauen zuerst auf die Vorgaben aus Rom und studieren dann immer die Abweichungen, Sonderformen und Reformen, die angekündigt, dekretiert oder untersagt und zurückgenommen werden. Die Kinder des 21. Jahrhunderts gehen anders vor. Sie schauen zuerst, was sie in einem Gottesdienst drin haben wollen, und versuchen dann, es irgendwie mit der offiziellen Liturgie in Übereinstimmung zu bringen. Diesem Phänomen wollen wir uns aber erst später und in aller gebotenen Kürze zuwenden.

Musik für die Liturgie – also Musik für die römische, die fränkische, die mozarabische, die ambrosianische Liturgie, und mit der Aufzählung von verschiedenen Dialekten der grundlegenden Liturgie ist es nicht getan. Ohne dass hier auch nur annähernd ins Detail gegangen werden könnte, muss man wissen: Es hat gedauert, sehr lange gedauert, bis von festgelegten Liturgien gesprochen werden konnte. Die rituelle Musik hat diese Entwicklungsgänge mitgemacht – aber mehr als das. Es ist ein dauerndes Hin- und Her in diesen 2000 Jahren; einmal wird zuerst der Ritus geändert, und die Musik zieht mit. Ein andermal machen die Musiker Erfindungen, und die kirchliche Autorität reagiert.

Gerade das 20. Jahrhundert erscheint uns als eine besonders unruhige Zeit für die Liturgie. Man muss zugeben, dass hier sehr viel innerhalb sehr kurzer Zeit passiert ist, und zwar nicht erst nach dem II. Vatikanischen Konzil. Aber es geht uns hier nicht immer um das 20. Jahrhundert, sondern es geht ein wenig auch um 20 Jahrhunderte, und da sieht man, dass sich die Liturgie immer wieder verändert hat – sie hat sich verändert und sie wurde verändert. Und jede Veränderung hat auch die Musik betroffen, die erklungen ist.

Aber war das nicht doch viel einfacher früher? Musik für die Kirche und für Liturgie – das war doch der Gregorianische Choral, unveränderlich, immer schon da, dem subjektiven Zugriff der Künstler entzogen?

Der Gregorianische Choral als Konstante, als Grundausdrucksform, als Vater und Mutter aller anderen Kirchenmusik, als einigendes Band – dieser Gregorianische Choral ist ein ideelles Konstrukt des 19. und 20. Jahrhunderts! Der Gregorianische Choral als eherner Kern aller Musik im christlichen Ritus, als überzeitliches Medium des Sakralen, als lingua franca des katholischen Ritus: Das ist ihm gegen Ende dieser 20 Jahrhunderte zugewachsen. Spät genug, nämlich erst 1903, hat ihn Papst Pius X. zur eigentlichen und offiziellen Musik der katholischen Kirche erklärt; aber dass er es getan hat, ist eine Frucht des 19. Jahrhundert mit seinen verschiedenen Rückbesinnungen auf das Historische, mit seiner Verklärung des Mittelalters, mit seiner Neugotik, und mit seiner ersten Welle einer Gleichsetzung des Althergebrachten mit dem Natürlichen, Unkünstlichen und Reinen.

1966, als die Liturgiereformen des II. Vatikanums praktische Gestalten annehmen und die Tore weit geöffnet werden für eine gewaltige Lawine an gottesdienstlicher Musik aller Sprachen, Stile und Formen – da fürchteten namhafte Künstler und Wissenschaftler das Verschwinden des Gregorianischen Chorals und appellierten an den Papst, „eines der bedeutendsten Kultur- und Geistesgüter des Abendlandes zu erhalten – ein Vermächtnis, das Gefahr läuft, in kurzer Zeit nur noch von archäologischer Natur zu sein“. Sie unterbreiteten die Bitte,

dass die lateinisch-gregorianische Liturgie, die seit 15 Jahrhunderten in den Mönchsorden vollzogen wird, wenigstens in jenen Klosterkirchen unversehrt und vollkommen erhalten werden möge, die keine pfarrseelsorglichen Aufgaben im engeren Sinn haben [!], und dass es in dieser Liturgie, eingeschlossen die heilige Messe, keine Teile in der Volkssprache und keine andere Musik als die gregorianische geben möge.

Unterzeichner sind unter anderem Benjamin Britten, Luigi Dallapiccola, Pablo Casals, Julien Green, Gertrud von le Fort, Francois Mauriac, Ingmar Bergman und viele andere.[1] Bezeichnend ist die Einschätzung, die hier durchschimmert: Man könnte doch dort, wo es nicht um pastorale Erfordernisse ginge, die „bessere“ Kirchenmusik beibehalten. Uns interessiert daran vor allem der unbekümmerte Hinweis auf die vorgeblich seit 1500 Jahren unveränderte liturgisch-kirchenmusikalische Praxis.

Schauen wir im Eiltempo auf die wichtigsten Schritte: Vorläufer dessen, was heute der Gregorianische Choral genannt wird, trifft man schon vor dem 8. Jahrhundert an; aber es gibt erst Anfänge einer schriftlichen Fixierung.

Dann kommt es zur Ausbildung der Notenschrift auf Linien, die mit Guido von Arezzo im frühen 11. Jahrhundert ihren Anfang nimmt. Und für manche Wissenschaftler beginnt hier bereits der schleichende Verfall des ursprünglichen Bestandes und der dazugehörigen Praxis.

Nächster Schritt: Im Zuge der liturgischen Reformen nach dem Konzil von Trient (1545-1563) erscheint eine Neuausgabe nach den Vorstellungen der Humanisten, die Editio Medicaea von 1614. Im Vergleich zur älteren Überlieferung ist der Choral hier vereinfacht und z.T. grob verfälscht. Vielfach wurden Melodien dem Zeitgeschmack angepasst, vor allem durch Änderungen im Modus und in der Bevorzugung des Wortakzentes. Aber es ist unzweifelhaft Musik für die Kirche und Musik in der Kirche.

Und jetzt kommt als nächstes bereits Pius X. In seinem Motu proprio „Tra le sollecitudini“ erhebt er 1903 die Vorrangstellung des Chorals gleichsam zum Gesetz:

Die Kirchenmusik muss in hohem Maße die besonderen Eigenschaften der Liturgie besitzen, nämlich die Heiligkeit und die Güte der Form; daraus erwächst von selbst ein weiteres Merkmal, die Allgemeinheit. (Art. 2) Diese Eigenschaften finden sich im höchsten Maße im gregorianischen Choral. Daher ist dieser der der Römischen Kirche eigene Gesang. (Art. 3)[2]

Eine der unmittelbaren Folgen dieser päpstlichen Aufforderung zu mehr Gregorianik war das Bedürfnis nach einer Neuausgabe der Melodien. Denn die überall verbreitete Medicaea-Ausgabe war von der Forschung her nicht up to date. Da hier aber nicht die Wissenschaft, sondern die Praxis im Vordergrund stand – denn die Melodien sollten für jeden Gläubigen singbar sein –, ging man für die zukünftige Ausgabe weitreichende Kompromisse ein. Die Melodien wurden nach dem damaligen Wissensstand weitgehend „restauriert“ – sprich: wieder einmal verändert! Anstelle der subtilen rhythmisch/rhetorischen Vortragsweise wurde den Gesängen eine einfache Ordnung aus Zweier- und Dreier-Elementen übergestülpt. Diese neue Editio Vaticana (ab 1905) war nun das offizielle Gesangbuch der römischen Liturgie.

Und jetzt bahnt sich eine wahrhaft paradoxe Situation für den Gregorianischen Choral an. Seine feierliche Erhebung zum offiziellen Musikstil der katholischen Kirche brachte ja nicht nur den Wunsch nach verbreiteter Singpraxis mit sich, sondern beflügelte auch die Forschung. Diese Neuausgabe war ein wichtiges Vehikel zur Propagierung dieses Musikstiles von den Kathedralen und Klöstern bis ins letzte Bergdorf; sie wäre ohne die stark systematisierte Methode der Abtei von Solesmes niemals möglich gewesen.

Die Methode von Solesmes war tatsächlich relativ leicht zu durchschauen. Aber genau dieses Choralsingen der Massen stellte sich nun als nicht dem wissenschaftlichen Befund gemäß heraus.

Vor 21 Jahren hat der angesehene Schweizer Kirchenmusiker Ronald Bisegger über die Gregorianik-Schlagseite der vatikanischen Vorschriften im 20. Jahrhundert gesprochen. Er sagte damals: „Das ist keine Musik für alle Bildungsstufen, für alle Kapellen und Kirchen, für alle Kulturen und Erdteile. Die Volkschoralbewegung war ein Schlag ins Wasser. Als einer der Promotoren dieser Bewegung muss ich das heute eingestehen.“[3]

Die Lehre von den komplexen Zeichen in den Handschriften, die Semiologie in der Form, wie sie heute gelehrt wird, erblickte sozusagen das Licht der Öffentlichkeit am Kirchenmusikkongress in Wien 1954; dort stellte ihr ideeller Vater, Dom Eugene Cardine – ebenfalls ein Solesmer Mönch – ihre Prinzipien vor.

Also: welcher Gregorianische Choral? Ich selbst habe als Mittelschüler noch einen älteren Benediktinerpater im Schottenstift in Wien erlebt, der in der choraliter gesungenen Passion die Rolle des Christus unbeirrt nach der Medicaeer-Tradition gesungen hat. Ich selbst habe im Studium die Methode Solesmes gelernt. Und ich selbst bin auch ratlos und kann nicht mitsingen, wenn jüngere Kollegen heute nach der jetzt gängigen Semiologie vorgehen. Und so entpuppt sich die schöne Geschichte von der 1500 Jahre lang unveränderten Praxis als schöne Geschichte.

Den Hauptgrund dafür haben wir noch gar nicht erwähnt, dass nämlich im Lauf der Zeit ein paar andere Dinge erfunden worden waren, die den Gregorianischen Choral von seiner führenden Rolle – um nicht zu sagen: von seiner Allein-Herrscher-Position – verdrängt haben. Also: Musik für die Kirche und Musik für die Liturgie – ja gewiss, der Gregorianische Choral. Aber nicht immer, und nicht immer derselbe.

Am Anfang, das steht allerdings außer Zweifel, war es der Choral und seine Vorläufer. Aber was ist dann passiert? Bleibt es bei dieser Musik für die Kirche? Werfen wir kurz einen Panoramablick auf ganz Europa und aufs Frühmittelalter. Das Orientalische, das der Gregorianische Choral zweifellos hat, hat sich zunächst mit dem Südeuropäischen verbunden. Und nun, in einer Jahrhunderte andauernden Begegnung, trifft dieses Amalgam seinerseits auf die fränkisch-germanische Art des Gesanges. Allmählich wird der sprachlichen Akzentuierung – und noch später auch der Metrisierung – des Gesanges der Vorzug gegeben gegenüber der „mittelmeerischen“ Melodieverschleifung; nach Fellerer (1974) ist dies der bisher stärkste Einbruch neuer Musik in die mitteleuropäische Musik der Spätantike. Dieses ineinander Aufgehen der Stile trägt bereits die Tendenz zur Einzelnote mit ihrer Einzelsilbe in sich. Da wird, unmerklich und grundsätzlich, die Weiche gestellt für die riesige Menge an Hymnen, Tropen und Sequenzen, die rund um die Jahrtausendwende komponiert wird.

Es bleibt ja nicht bei der Einstimmigkeit. Als erstes treffen wir auf das Organum. Die Monodie ist auf die einfachste Weise erweitert worden, indem die Melodie im Oktav- und Quintabstand parallel mitgesungen wird. Auch das begünstigt die Tendenz zu mehr Geordnetheit; je mehr Leute gleichzeitig singen, desto mehr Regeln muss es für die Improvisation geben – oder desto genauer muss der Gesang notiert werden. Das ist sogar noch übereilt ausgedrückt: Er musste erst einmal notierbar werden.

Vor allem aber dringt nicht-liturgischer Text ein – ja, schon damals, und seither immer wieder. Langen Melismen werden Silben unterlegt; am Ende des Alleluja etwa werden jetzt statt des langen Vokals A Worte gesungen. Statt der lange über vielen Tönen gesungenen letzten Silbe „e“ des Wortes kyrie wird nun ein Text mit diesen Tönen verbunden. So dringt nicht autorisierter Text ein in die bisher ohne Veränderungen bewahrten offiziellen Texte. Und nach einiger Zeit und vielen Entwicklungsschritten ist es nicht nur ein Text, sondern es laufen verschiedene Textebenen auf mehreren Stimmen ab. Aber noch sind es im Wesentlichen die gregorianischen Melodien. Erst langsam setzt sich parallel dazu die Mode durch, eigene Melodien zu erfinden. Gregorianisch oder neu erdacht, es geht generell in Richtung Emanzipation vom liturgischen Gesang und in Richtung Polyphonie. Das war insgesamt so unerhört, dass sich – zum ersten von vielen Malen – die kirchlichen Autoritäten mit der Kirchenmusik befassen mussten. Es ging um die Motette und ihre Folgen.

Der führende Sakral-Musikwissenschafter Helmut Hucke hat es so beschrieben:

Zum Bruch zwischen der Tradition des liturgischen Gesangs und der musikalischen Entfaltung kam es durch die Entwicklung der Motette zu einer textlich und musikalisch autonomen Gattung. Die Forderung nach dem Verbot der Motette [!] beim Reformkonzil von Vienne 1311/12 und das Dekret Papst Johannes XXII. „Docta sanctorum Patrum“ (zwischen 1255-1257) setzten sich nicht durch. Die Kirche resignierte (!) und zog sich auf die bereits durch die Tradition kanonisierten Formen ihrer Liturgie zurück. Bereits vor 1291 schreibt Wilhelm Durandus d.J. in seinem für die römische Liturgie maßgeblich gewordenen Rationale divinorum officium vor, dass die Texte des Ordinarium missæ, die von der Schola gesungen werden, zugleich von den Cappellani des Papstes gelesen werden müssen [!]. Damit ist das in allen Konfessionen und allen Kulten einzigartige Verhältnis der katholischen Kirchenmusik zur Liturgie begründet worden und das Grundproblem der katholischen Kirchenmusik in der abendländischen Musikgeschichte entstanden: Der Vollzug der Liturgie und die Musik wurden getrennt. Die Musik wurde von einem Bestandteil zu einem Schmuck des Gottesdienstes.[4]

Und schon sind wir unversehens bei unserer Überschrift gelandet:

• die damals neue Musik war durchaus als Musik für die Kirche geschrieben worden;

• ihr wurde aber der Status des liturgischen Elementes entzogen und sie wurde fortan bloß als Musik in der Kirche geduldet;

• und weitere Motetten wurden sozusagen als Musik trotz der Kirche komponiert.

Das ist eine schon fast bösartige Zuspitzung. Das ist eine sehr grelle Lampe, die hier auf den Tatbestand gerichtet wird, damit man Gegenstand und Schatten deutlich getrennt voneinander sehen kann. Was ist denn die Motette, dass man die Liturgie sosehr davor schützen muss?

Die Motette ist zunächst ein weltliches, eher artistisches Chorstück für Kenner und Liebhaber. Ab dem 14. Jahrhundert verbreitet sie sich von Paris aus, bis allmählich fast alle mehrstimmige Vokalmusik in dieser Art komponiert wird. Von lapidarer Einfachheit ist die Bezeichnung dieses Stiles: ars nova, die neue Kunst.

In der Folge entstand im frühen 15. Jahrhundert in England die Gattung der cantus-firmus-Messe. Alle Stimmen waren vertikal auf diesen cantus firmus bezogen, was eine Errungenschaft der Motette war. Die frühesten Beispiele der Übernahme dieses neuen Typs auf dem Kontinent stammen von Dufay und Ockeghem. Die Eigenproduktion solcher Messen im deutschen Sprachraum setzt etwa 1460 ein.

Noch waren die Stücke nicht durchwegs in Zyklen geordnet, wie wir es seit langem gewohnt sind. Oft gab es nur einzelne Sätze – ein Kyrie, ein Gloria –, manchmal waren auch Teile des Propriums eingefügt. Gerade auf dem Territorium von „Greater Austria“ hat man eine der umfangreichsten Sammlungen dieser Musik gefunden: die Trienter Codices. „Umfangreich“ ist weit untertrieben; es handelt sich um 1585 Kompositionen auf über 2000 beschriebenen Blättern!

Lassen wir fast alles weg, was philologisch interessant wäre, und schauen wir nur einmal nach, wie die Sakralmusik in dieser Sammlung aussieht. Ich folge einer Beschreibung von 1913:

Die Textlegung der Handschriften ist wie überhaupt in jener Zeit ‚eine recht nachlässige‘. Der Text wird vielfach als bekannt vorausgesetzt, oft wird nur der Anfang aufgeschrieben, das übrige den Sängern überlassen. Verschiedene Texte kommen bei Messen über weltliche oder geistliche Tenore vor; doch bezweifle ich entschieden, dass diese weltlichen Texte mitgesungen wurden. Einmal wird zu gleicher Zeit Veni Sancte spiritus und Veni Creator gesungen. Einige Male wird einem weltlichen Texte ein geistlicher untergelegt oder umgekehrt. […] Nicht selten wird dem Kyrie einer Messe ein zweiter Text beigemischt, welcher sich auf das Fest der Primiz bezieht.[5]

Das genügt, um zu wissen: „es sind 2000 Seiten Musik für und in und trotz der Kirche. Und es dauert nicht lange, bis hier aufgeräumt wird. Das Konzil von Trient ist ein Ereignis, das einschneidend ist – in vieler Hinsicht – und das jahrhundertelang nachwirken sollte; gerade in den letzten 15 Jahren ist es aus dem Staub und dem Dunkel der Geschichte ein wenig herausgetreten. Wer die Geschichte der Kirchenmusik auch als zyklischen Ablauf versteht, wird sich nicht wundern. Das Konzil von Trient hat in unseren Tagen – und eigentlich schon seit 1960, als das Zweite Vatikanische Konzil angekündigt wurde – den Status eines Bollwerks gegen den Fortschritt und gegen die Veränderung. Trient und tridentinisch, das sind heute Synonyme für Konservativismus im Sakralen. Aber ein objektiver Blickwinkel gebietet die Feststellung, dass man auch damals Veränderung wollte. Man hat neue Klarheit und Ordnung angestrebt, die man durch die vorhin skizzierte Musikpraxis gefährdet sah. Auch damals hat man sich auf noch ältere Traditionen besonnen; man hat aus dem Rückgriff auf das, was man als das Wesentliche angesehen hat, Neues formen wollen, das von Unwesentlichem gereinigt war. Nur nebenbei sei erwähnt, dass damals die Zulassung der jeweiligen Volkssprache zur Liturgie diskutiert und mit einer hauchdünnen Mehrheit verworfen wurde – unter anderem deshalb, weil just dies ja ein wesentlicher Punkt im Programm der Reformatoren gewesen war.[6]

Das Wesentliche! Da werden die einen dies sagen und die anderen das. Es zieht sich durch die ganze Kirchengeschichte, dass die Liturgiker und die Liturgen sagen: Das Wesentliche ist der Text – dass man den Text versteht, dass nichts hinzugefügt und nichts weggelassen wird und dass er klar und deutlich und ohne zu viele Wiederholungen abgesungen wird. Und genau das war das kirchenmusikalische Hauptthema beim Konzil von Trient. Federführend auf der besonnenen Seite waren die Kardinäle Karl Borromäus und der Augsburger Bischof Kardinal Otto Truchseß von Waldburg.

Werfen wir einen kurzen Blick aufs Detail:

Der Wille des Reformerkreises war [vielmehr] auf etwas gerichtet, welches das innerste Wesen des Tonsatzes betrifft. Es kamen nämlich gemäß einer bereits überlebten Schreibweise immer noch Wirrnisse der Textlegung vor, verursacht durch die Verschleppung einer einzelnen Stimme zu weit hinein in den bereits in vollem Fluß befindlichen neuen Textvortrag; es galt nun, diese Wirrnisse durch klare und übersichtliche Gliedabgrenzung zu beseitigen. Anderseits hatte bereits eine neue Phase des durchimitierten Stiles sich Geltung verschafft, die gekennzeichnet ist durch Einführungstechnik und eine variierend-repetitive Durchimitation. [...] Gegen die Polyphonie trat die Homophonie in einen schärfsten Wettbewerb ein. In den Augen der klassizistischen Richtung stellte sie sogar den Idealstil für die Verdeutlichung des Textes dar. Jener berühmte „Kampf gegen den Kontrapunkt“ hatte damals in kirchlichen Kreisen ein überraschend starkes Echo gefunden. Da stellten sich Männer wie Jacobus de Kerle, Palestrina, Roussel und Animuccia schützend vor die Polyphonie.[7]

Es war also ein wenig komplizierter, als es Hans Pfitzner in seiner Oper „Palestrina“ dargestellt hat. Eigentlich war es Jacobus de Kerle, der mit seinen Kompositionen veranlasste, dass die Konzilsväter das Steuer herumgerissen hätten. Von ihm sind die umfangreichen Preces, litaneiartige Fürbitten eigens fürs Konzil. Er und nicht Palestrina ist der Retter einer großen Menge Musik für die Kirche, die fast nur noch trotz der Kirche weiter existieren hätte können. All das hat sich um 1560-65 abgespielt.

Zweihundert Jahre später schreiben die Brüder Haydn ihre Messen, es komponieren Vater und Sohn Mozart. Und schon davor schreibt Heinrich Ignaz Biber in seiner Missa Alleluja ein Benedictus, in dem das Hosanna immer weiter läuft. Rundum gibt es Schränke voll mit Sakralmusik, die zum größeren Teil nicht mehr übereinstimmt mit dem, was das Konzil von Trient für die Liturgie angeordnet hat. Wie könnte es auch anders sein – auch die Kirchenbauten, die liturgischen Geräte, die Paramente, der szenische Prunk der Liturgie: Das ist ja alles längst nicht mehr auf der vorgegebenen Linie. Die Liturgie ist eben in der Welt und mit der Welt, und sie macht die großen Strömungen mit. Denn sie wird von Menschen gemacht.

Zweihundert Jahre sind vergangen, da erscheint jetzt wie erwartet der Salzburger Fürst-Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo auf der Bildfläche. Er ist als unangenehmer Chef des armen Wolfgang Amadé in die Musikgeschichte eingegangen. Damit tut man ihm erstens unrecht, denn die Länge der Messe war nicht der Hauptinhalt seines Wirkens. Zweitens steht bei seinem Wunsch nach Kürze ja mehr dahinter als die Ungeduld oder der Wunsch nach einem früheren Mittagessen. Es ist die Gesamtidee des Rationalismus, der den Dingen auf den Grund geht und der hinter und in dem Ornament die bare Essenz erkennbar erhalten möchte – wieder einmal, möchte man sagen. Es ist eine umfassende kulturelle Strömung, die inmitten des höfischen Prunks und samt aller Gigantomanie der Bauten den Zweck und die Kalkulation nie ganz außer Acht lassen möchte.

Colloredo verlangt von Mozart, dass ein feierliches Hochamt insgesamt nicht mehr als 45 Minuten dauert – also Musik und Ritus inklusive. (Dazu muss man allerdings wissen, dass es damals innerhalb der Messe weder eine Predigt noch eine Kommunionspendung an die Gläubigen gab.) An dieser Stelle kommt es pünktlich zu einem Aufschrei aller Mozartfans, aber die Sache hat schon noch andere Aspekte als die schnöde Eindämmung eines Genies. Mozart hat einmal erwähnt, dass „für diese Art der Messkomposition ein besonderes Studium notwendig ist“ – will heissen, man muss sich in der Besetzungs- und Formdisposition neue Wege überlegen. Unter dem Druck des Vorgesetzten gelingen Mozart bahnbrechende Neuerungen; er entwickelt den Typus der Missa brevis et solemnis weiter und bringt ihn zur Blüte.[8] Da haben wir jetzt wieder einmal Musik für die Kirche, die gleichzeitig trotz des Kirchen-Fürsten geschrieben wurde, genauer gesagt, dem Kirchenfürsten zum Trotz. Trotz wird sicher eine Rolle gespielt haben; anders ist der Streich nicht zu erklären, den Mozart dem Erzbischof gespielt hat, als er im gerade anhebenden „Hosanna“ im Benedictus der Krönungsmesse noch einmal unversehens aufs „Benedictus“ zurückgreift, um nach wenigen Takten dann endgültig ins „Hosanna“ einzubiegen. Es ist großartige Musik, die Mozart da – immer die Taschenuhr im Blick – komponiert. Dennoch hat der Erzbischof noch nicht genug, oder besser gesagt, es ist ihm immer noch zu viel. In einem berühmten Hirtenbrief, der sich im ganzen deutschen Sprachraum verbreitet und der heftig diskutiert wird, untersagt Colloredo 1782 in seinem ganzen Territorium die traditionelle Kirchenmusik und macht den „deutschen Kirchengesang“ verpflichtend; allerdings gibt es Ausnahmen für Dom und Stiftskirchen. Dieses Dekret wird auch auf Italienisch und französisch übersetzt und zieht Diskussionen und Schriftstücke nach sich.

Damit ist der Erzbischof ganz auf der Linie von Joseph II., der kurzerhand anordnet, dass eine große Menge Kirchenmusik ab sofort nicht mehr Musik für die Kirche sein soll – oder sagen wir: dass es ab sofort nicht mehr Musik für die Kirche sein soll. All das wird vom breiten Volk und von den Ausübenden der musica sacra mit verstecktem oder offenem Ungehorsam nach Kräften torpediert, aber auch mit ordnungsgemäßen Eingaben bekämpft, und so muss Colloredo schon 1788 einen Teil seiner einschränkenden Bestimmungen wieder zurücknehmen.

(Nebenbei bemerkt: In jener Epoche von Haydn, Mozart und Schubert spielte der Gregorianische Choral eine völlig untergeordnete Rolle. Im Vergleich mit den Kompositionen der genannten Meister musste er reduziert und karg wirken und wurde folgerichtig vor allem in der Advent- und Fastenzeit gepflegt; gerade aus Salzburg haben wir detaillierte Informationen, was wann gesungen wurde.[9])

Was komponieren sie also dann, die Großen? Ist das Musik für die Kirche, die aber im neuen Klima des Rationalismus nicht willkommen oder zumindest zu lang ist? Was ist mit der Cäcilienmesse von Haydn? Sie hat eine Spieldauer von 70 Minuten, und wenn wir das einer stillen Messe – nach damaligem Ritus, ohne Kommunionspendung – gegenüberstellen mit ihren 20 Minuten, dann kommt einem schon der Gedanke, dass hier die Verzierung das Verzierte erdrückt.

Es ist gefährlich und wird dem Gegenstand nicht gerecht, wenn man sich auf das mathematisch Beweisbare der zeitlichen Ausdehnung zurückzieht. Haydn ist nicht Beethoven; er hat ja diese Messe nicht als gewaltige und subjektive religiöse Äußerung komponiert, die ihn etwa in der Nacht überfallen und zum Stehpult gedrängt hätte. Es war nüchtern besehen seine erste große Aufgabe als Hofmusiker in Eisenstadt, und da wollte er vielleicht auch gleich etwas ganz Großes abliefern. Fürst Esterhazy hat die Messe vermutlich als sehr großzügige Votivgabe nach Mariazell mitgebracht. Sie passt ideell und vom Duktus her besser nach Mariazell als nach Eisenstadt, ist aber gerade dort vermutlich gar nicht aufgeführt worden.

Mit den langen Messen von Schubert ist das ein wenig anders. Die kleine Kirche und die große Messe – wenn man heute auf der Empore der Lichtentaler Kirche steht, fragt man sich, wie sie das große Orchester und den Chor wohl untergebracht haben. Allerdings merkt der profunde Schubert-Kenner Erich Benedikt an: „Lichtental war, was die Musik betrifft, keine gewöhnliche Wiener Vorstadtkirche.“[10] Und mit der überlangen As-Dur-Messe hatte Schubert ja nicht nur seine heimatliche Pfarrkirche im Blick; er schreibt an einen Freund: „Meine Messe ist geendet und wird nächstens produziert werden; ich habe noch die alte Idee, sie dem Kaiser Franz I. oder der Kaiserin zu weihen, d.h. zu widmen, da ich sie für gelungen halte.“ Die Messe ist lang und schwer, die erste Aufführung ist nicht befriedigend; aber die Messe kommt dann gerade recht, als sich Schubert 1826 um die Vize-Hofkapellmeisterstelle bewirbt.

Die Cäcilienmesse passt nach Mariazell, und Schuberts Messe passt zum Kaiser, zur Kaiserin und zur Bewerbung um die Hofkapellmeisterstelle. Es hat schon auch sehr mit dem Rahmen zu tun, ob man die Emanzipation als gerade noch organisch oder schon als hypertroph einordnen kann. Fest steht: Diese Werke wurden jedenfalls im Sinne der damaligen liturgischen Praxis und somit im Sinne der Kirche geschrieben – wenn schon im strengsten Sinne nicht für die Kirche. Denn Haydn komponierte für seinen Dienstherrn, und Schubert dachte an seinen Platz innerhalb der Wiener Sakralkomponisten und an den Job am Kaiserhof. Was jedoch den Aufführungsort anbelangt, war es nicht nur im vollsten Sinne für die Kirche, sondern es kam ja gar nichts anderes in Frage.

Die bischöflichen Kürzungen, und die göttlichen Längen. Da sind wir nochmals bei Schubert. Hat er so richtig ganz für die Kirche geschrieben? Ja sicher. Aber was ist mit seiner Eigenart, immer ausgerechnet die Zeile „et unam sanctam ecclesiam catholicam et apostolicam“ wegzulassen? Hat er nur halb für die Kirche geschrieben und ansonsten gleich für den lieben Gott direkt, so wie das Bruckner später in seiner Widmung ausgedrückt hat? Im 19. Jahrhundert gibt es da vielleicht Ansätze, dass die Komponisten nicht immer und nicht nur an die Kirche und an die Liturgie denken, wenn sie eine Messe schreiben. Schauen wir einen Moment auf die As-Dur-Messe von Schubert. Eine solche Tonartenfolge für die Sätze des Ordinariums hat vorher noch niemand gewählt: As – E – C – F – As-F – f-As.[11] Ich habe das Gefühl, dass der Komponist hier ausdrücklich auch an konzertante Aufführungen dachte, denn nur in der unmittelbaren Abfolge der Sätze kommt die Wucht dieser tonalen Ordnung voll zur Geltung. Ich meine daher auch, dass diese Messe eine der wenigen aus dem klassischen Repertoire ist, die man konzertant als Ganzes so aufführen kann, wie sie ist, ohne dass man die Satzfolge durch musikalische oder Texteinschübe unterbrechen muss. (Ich bin nämlich der Meinung, dass man die Sätze von Messvertonungen aus der Klassik nicht aneinander anschießend aufführen sollte. Dadurch kommt es zu Fügungen von schnell-schnell und Dur-Dur, die es in der Entstehungszeit der Werke nie gab.)

Was hat sich denn Franz Liszt gedacht bei seiner Graner Festmesse? Die luxuriös besetzte Messe ist liturgisch gedacht, aber dass es da auch Hintergedanken gibt, erfährt man aus Liszts Regieanweisung für die Stelle judicare: „Während dieser zwölf Tacte sollen die Schalltrichter der Hörner, Trompeten, Posaunen und Tuba in die Höhe geschwungen, die Spieler aufrecht stehend, und die Instrumente dem Auditorium [!] zugewendet sein.“ Da hat der Virtuose Liszt den Abbé Liszt erfolgreich überredet, ein bißchen fromme Show zu machen! Wir haben es hier wohl mit Musik zu tun, die in erster Linie, aber nicht mehr ganz ausschließlich nur für die Kirche geschrieben wurde, und sie ist auch nicht mehr ausschließlich in der Kirche gedacht. Übrigens macht Liszt es genau umgekehrt wie Schubert: Ein einziges Mal wird das Wort credo neu hervorgeholt: Es heißt credo unam ecclesiam [!].

Aber was sind die großen Messen von Haydn, Schubert und Liszt gegen die Missa solemnis. Beethoven hatte das Werk tatsächlich mit der Liturgie im Blick geschaffen; Nebensächlichkeiten wie die absonderliche zeitliche Ausdehnung waren bei einem Künstler seines Schlages sicher untergeordnet oder blieben außerhalb seiner Wahrnehmung. Aber 1824 muss es in Brünn eine liturgische Aufführung des Werkes gegeben haben; nicht zuletzt die ausführlichen Kürzungen im dortigen Stimmenmaterial deuten darauf hin.[12]

Unmerklich ist ja noch viel mehr aus den Fugen geraten. Beethoven hat den Schritt heraus getan aus der Rolle des Auftragnehmers. Das heißt in letzter Konsequenz: der autonome Künstler darf seine subjektive Schau des Numinosen in autonome Formen verpacken, auch seine vom offiziellen Kult losgelösten Gebete oder Anrufungen oder Fragen, auch seine Klage und seinen Lobpreis.

Neuer Diskurs wird sich nämlich allerdings auftun, wenn der vom offiziellen Kultus emanzipierte Künstler für seine Äußerungen dann doch wieder kanonisierte Formen heranzieht. Dabei geht es um zwei verschiedene Metamorphosen des Kanonisierten; das eine ist die Hypertrophie. Das heißt: Man hat eine Messe vor sich, die wohl die bekannten Sätze aufweist, aber, wie wir gesehen haben, ist ihre Ausdehnung so gewaltig, dass auch bei großzügigster Betrachtung eine liturgische Aufführung nicht möglich ist. Beim anderen Phänomen bedient sich der Künstler nur mehr der Gattungsbezeichnung, so wie es etwa Leonard Bernstein gemacht als, als er für eine abendfüllende – und übrigens halbszenische – Kantate den Titel „Mass“ wählte.

Hypertrophie der Messkomposition! Wenn dieses böse Wort einmal ausgesprochen ist, fallen einem als erstes die schon besprochenen langen Messvertonungen aus der Wiener Klassik ein und auch die von Bruckner und jene von Liszt, die er in der nicht-vatikanischen Hälfte seines Lebens geschrieben hat. Aber ist das schon die Sprengung oder Auflösung der überkommenen Form, oder ist es erst Dehnung oder Uminterpretation? Ist es vorläufig nur der immer ausführlichere Kommentar zur Liturgie, der immer reichhaltigere Schmuck, die immer weiter ausufernde Verzierung? Oder ist der Schritt schon getan in eine Sakralmusik, die den Zelebranten und seinen Liturgievollzug nur mehr als willkommenen Anlass nimmt zu einer kulturellen Emanation, die ohne Priester und ohne Mysterium auskäme?

Die Grenzen sind fließend. Dass sie mit Beethovens Missa solemnis überschritten sind, braucht wohl nicht bewiesen werden; und das ist nicht der einzige Fall. Wenn eine Messvertonung einmal 82 Minuten dauert, dann nützt es auch nichts, wenn man sie Petite messe solennelle nennt, wie es Gioachino Rossini getan hat. Überhaupt geht die ganze Messe nur im Lichte einer verschmitzten Ironie als „kleine Festmesse“ durch; der monströse Zyklus war ursprünglich für die Einweihung einer Hauskapelle komponiert worden und war außer mit Singstimmen nur mit zwei Klavieren und Harmonium besetzt. Diese für Kirchen eher unbrauchbare Besetzung hat Rossini später selbst auf großes Orchester umgeschrieben. Die für die Liturgie vollkommen unbrauchbare Gesamtdauer hat er allerdings belassen, wie sie war.

Aber denken wir ein wenig grundsätzlich über Struktur und Dekor nach und über Gegenstand und Ausgestaltung. In der sakralen Kunst begegnet uns das gar nicht so selten, dass die Verzierung die Sache selbst überwuchert. Im 20. Jahrhundert hat man wiederentdeckt, dass ein Altar zuallererst einmal ein Tisch ist; das war so gut wie untergegangen in den tausenden prachtvollen Retabeln, die die Tischfläche zu einer unscheinbaren Stufe im grandiosen Abschluss des Hauptschiffes deklassierten. Die Szenerie spiegelte das Liturgieverständnis wieder: hinten die schweigende Versammlung, vorne der Priester mit derselben Blickrichtung, sozusagen vor-gesandt, den Kult zu vollziehen; der Priester aber auch in der Gesamtoptik klein und demütig angesichts eines mächtigen Aufbaues mit Skulpturen und Gemälden, an oberster Stelle meist eine der drei göttlichen Personen oder alle drei. Der Tisch war zur architektonisch unbedeutenden Abstellfläche, zur kaum wahrnehmbaren Stufe mutiert. Erst als im 20. Jahrhundert die Aspekte des gemeinsamen Mahles und der Tischgemeinschaft wieder von der Theologie freigelegt wurden, trat der Tischcharakter wieder zutage, und dies bewirkte noch vor dem zweiten Weltkrieg einschneidende Paradigmenwechsel in der Kirchenarchitektur.[13]

Die Schatzkammern sind auch voll von Monstranzen, die durch ausufernde Verzierungen so schwer sind, dass sie nur sehr kurze Zeit und nur mit Mühe gehalten werden können; bisweilen ist auch der Knauf, wo das Gerät ergriffen wird, auf eine Weise gestaltet, dass das Halten nahezu unmöglich wird. Im nicht-sakralen Bereich findet dies seine Entsprechung vor allem in Tisch- und Küchengerät, dessen Verzierung der eigentlichen nüchternen Zweckbestimmung entgegensteht; man denke etwa an Saucieren aus kostbarem Metall, bei denen nicht nur der Griff und das Äußere des Gefäßes, sondern auch das Innere und vor allem der Boden mit Reliefs und Ornamenten in einer Weise bedeckt sind, dass eine praktische Verwendung nach aller Vernunft ausgeschlossen ist.

Es gibt noch andere Parameter als die zeitliche Ausdehnung, die ein Stück Kirchenmusik unmerklich aus dem angestammten Platz und seiner ursprünglichen Funktion wegschieben. Das nächst liegende Beispiel ist das Benedictus der Messe. Es ist ursprünglich ein Teil des Sanctus, und in den gregorianischen Vertonungen ist das auch immer so geblieben. Der Textteil „Benedictus“ ist eine Akklamation so wie das gesamte Sanctus, es ist also ein affirmatives Element der lobpreisenden Zustimmung. Der Zelebrant allein für sich hat mit der Präfation die große Rampe ins Zentrum der Eucharistiefeier betreten, und jetzt rufen alle Umstehenden laut: Jawohl, genau, Himmel und Erde sind voll, das finden wir auch, er sei gelobt! Aber irgendwann im späten 16. Jahrhundert hat sich zwischen dem ersten in excelsis und dem Wort benedictus eine Atempause zu einem Spalt erweitert, und dann zu einem großen Atemholen, und dann zu einer Andachts- und Gebetsstille – und dann war nichts mehr so wie vorher. Das laut zustimmende Benedictus hat sich in einem langen Prozess zu einem gefühlvollen Sakramentslied verfärbt, wenn man das so sagen kann. Nur in wenigen Fällen haben Komponisten schnelle oder laute oder fröhliche oder feierliche Benedictus-Vertonungen geschaffen, zum Beispiel Haydn in seinem aufgeregten Palmsonntags-Trubel „qui venit, qui venit“ in der Harmoniemesse oder Mozart in dem überraschen düsteren Fugato in der Missa solemnis. Aber das haben sie getan, weil sie etwas Neues und Überraschendes machen wollten, nicht weil sie plötzlich die Akklamation hinter dem sonst gewohnt sanften Text erkannt hätten. Diese unübersehbare Menge von Benedictus-Vertonungen, die mit der ursprünglichen Gestalt des Textes nichts zu tun haben – das ist natürlich trotzdem Musik für die Kirche, wenn auch deutlich vorbei am längst vergessenen Ziel, und auch Musik in der Kirche.

Ein längst vergessenes Ziel in einem Ritus – in der Zeit vor dem II. Vatikanischen Konzil gab es da bemerkenswerte Dinge. Der Priester war laut den Ausführungsbestimmungen verpflichtet, gesenkten Auges zum Altar zu treten und auch gesenkten Auges das Volk mit dem Dominus vobiscum zu grüßen (demissis ad terram oculis).[14] Da handelt es sich um zwei einander widersprechende Elemente: die im Sinne der ganz privaten Kulthandlung gesenkten Augen, die der Vertiefung der eigenen Andacht dienen, und der Gruß Dominus vobiscum. Aber dass diese Formel tatsächlich ein Gruß war, hatte man nicht mehr gespürt – oder: Wie wenig man die Lesung als etwas fühlte, was tatsächlich der Gemeinde vorgelesen (im Sinne des Wortes) wurde, zeigt eine unscheinbare Anweisung, die für die stille Messe galt: „Am Ende der Epistel (das der Priester meistens mit der linken Hand anzeigt) [!] antwortet der Ministrant Deo gratias.“ Die Lesung wurde so sehr nicht vor-gelesen, dass der Priester für die Dankformel ein Handzeichen geben musste.[15]

Zurück zur Kirchenmusik. Denken wir an die Vertonungen des dona nobis in der Wiener Klassik. Oft ist es merklich abgesetzt vom Agnus Dei, oder es ist überhaupt ein eigener Satz: neue Tonart, neues Tempo, andere Besetzung. Das hat mit der Litanei, die ursprünglich zur Brotbrechung gesungen wurde und die – eine spätere Zutat – mit der Bitte um Frieden abgeschlossen wurde, gar nichts mehr zu tun. Eine Schlussmusik ist daraus geworden; es gab ja keine Kommunionspendung an die Gläubigen, und es gab natürlich auch kein abschließendes Wort seitens des Zelebranten und keine Einladung ins Pfarrcafé und auch nicht den Wunsch „Haben Sie noch einen schönen Sonntag“. Das dona nobis führte nicht in die eucharistische Stille hinein, sondern aus der Kirche hinaus. Aber es sei fern von uns, so ein Dona nobis als unliturgisch zu empfinden. Da spüren wir über die ursprüngliche liturgische Funktion und über den Ritus hinaus einen anderen Zusammenhang, der uns auch lieb und teuer ist und der in unserem kirchenmusikalischen Kulturkreis fest verankert ist.

Ein dona nobis aus der Wiener Klassik als unliturgisch zu verteufeln, oder ein Et incarnatus est oder ein Kyrie, damit haben die Cäcilianer im 19. Jahrhundert angefangen. Es waren Kirchenmusiker und Theologen, die zu diesem neuen Angriff auf die Musik für die Kirche geblasen haben; dazu kam noch die besonders gefährliche Spezies der theologisch ausgebildeten Kirchenmusiker. Ein paar Stichproben sollen genügen; hier zum Beispiel aus dem Jahr 1896 eine caecilianische Einschätzung von Mozarts Krönungsmesse von Isidor Mayrhofer, Benediktiner in Seitenstetten und einflussreicher Essayist. Nach einigen Zeilen des höchsten Lobes, allerdings nur „vom ästhetischen Standpunkt aus“, kommt der Autor zur Sache:

Das Kyrie, Sopransolo, ist so süß, so einschmeichelnd, dazu die Behandlung der Violinen, die Läufe der Oboe dazwischen – das mag alles Mögliche sein, aber Kirchenmusik, und besonders ein Ruf um Erbarmen – ist es in Ewigkeit nicht. […] Es will uns scheinen, als habe sich Mozart, je länger er für die Kirche komponierte, desto mehr von der Einfachheit abgewandt.

Zum Et incarnatus der c-Moll-Messe schreibt er:

Musikalisch ist es herrlich, fein gefühlt, wie dies nur ein Mozart imstande war; aber kann es auch kirchlich genannt werden? Kaum; sieht es ja doch einer Opernarie so ähnlich, wie ein Ei dem andern. – Es unterliegt keinem Zweifel, dass Mozart, hätte er zu einer von einem anderen Geiste beeinflussten Zeit gelebt, der Kirche höchst würdige und, wie es bei seiner Beanlagung [sic] nicht anders zu erwarten ist, künstlerisch vollendete Werke geliefert hätte.[16]

Der Kern dieser kirchenmusikalischen Ideologie besteht aus einer Rückbesinnung auf die „eigentliche“ Liturgie, die als Gegensatz – oder zumindest als Gegenüber – der Kirchenmusik gesehen wurde, insofern sich diese nicht auf Palestrina und weitere Meister der „altklassischen Polyphonie“ (wie es genannt wurde) bezog. Die kulturgeschichtlichen Prämissen beruhen auf einer verklärenden Besinnung auf das Reine, Nicht-Zeitgenössische, das Natürliche und Erhabene. Einer der Urahnen dieser Anschauung war Anton Justus Friedrich Thibaut (1774–1840), der allein die menschliche Stimme – notabene ohne Instrumentalbegleitung gleichwelcher Art! – als geeignet erachtete, eine wahrhaft sakrale Musik hervorzubringen. Ideen dieser Art lagen gleichsam schon vorher in der Luft und fanden dann umso weitere Verbreitung.

Schon Johann Gottfried Walther setzt ‚a cappella‘ mit ‚alla Palestrina‘ gleich, was zumindest indirekt, im Sinne von vorbildlicher alter Kirchenmusik, bei vielen späteren Autoren ebenfalls geschieht. [...] Goethe hält die begleitende Orgel für ein ‚leidiges Instrument‘ und lobt die Sixtinische Kapelle, ‚wo die Stimmen allein sind‘. [...] Selbst Beethoven hielt einmal, in einem Brief an Zelter, diesen Satzstil für „vorzugsweise den einzig wahren Kirchenstil“.[17]

Und sogar ein gewisser Richard Wagner, sonst nicht gerade bekannt für Zurückhaltung in Aufwand und Besetzung, ordnet sich in den sakral-ästhetischen Mainstream ein. Hier eine von mehreren einschlägigen Äußerungen Wagners:

Die menschliche Stimme, die unmittelbare Trägerin des heiligen Wortes, nicht aber der instrumentale Schmuck, oder gar die triviale Geigerei in den meisten unserer Kirchenstücke muss jedoch den unmittelbaren Vorrang in der Kirche haben, und wenn die Kirchenmusik zu ihrer ursprünglichen Reinheit [!] wieder ganz gelangen soll, muss die Vokalmusik sie wieder ganz allein vertreten.[18]

1868 wurde der Cäcilienverband gegründet, eine Einrichtung, die so wahrscheinlich nur in Deutschland entstehen konnte. Die Gründerväter waren Carl Proske, ursprünglich Arzt, später Theologe und Priester, und Franz Xaver Witt. Die Ideologie einer Liturgiefähigkeit, die an stilistischen Merkmalen und an Besetzungen festgemacht werden konnte, fand hier eine organisatorische und quasi-amtliche Struktur. Wesentliches Merkmal war die offen ausgesprochene Geringschätzung gerade jener Errungenschaften, die für das 19. Jahrhundert kennzeichnend waren: der stürmischen Entwicklung der Harmonik, der Verfeinerung der Instrumentierung, somit der Ausweitung der kompositorischen Mittel im Allgemeinen. Bei programmatischen Ansagen und allgemeiner Propaganda blieb man nicht stehen, sondern gab den immer wieder aktualisierten Vereinskatalog heraus, in dem Kompositionen als kirchenmusikalisch-korrekt oder als unkirchlich klassifiziert wurden.

Durch persönliche Konstellationen erreichte diese Strömung den Vatikan. Daran beteiligt war ein geläuterter und frommer Franz Liszt, der inzwischen dem niederen Klerus angehörte. Rückblickend von 1915 heißt es in einer Ästhetik der katholischen Kirchenmusik:

Wenn auch Liszts kirchenmusikalischen Bestrebungen nicht die offizielle Anerkennung zu Teil wurde, so stand er doch bei Pius IX. in hohem Ansehen.[19]

Und ein anderer Autor aus dieser Zeit meint:

Davon, dass die Kirche eine künstlerische Kraft mit dieser speziellen Begabung für die geistliche Tonkunst, wie sie in Jahrhunderten nicht so leicht mehr zu finden sein wird, in organisatorischer Beziehung so gänzlich ungenützt ließ, dürfte sie schließlich selbst den meisten Schaden haben. [20]

Um eine lange Geschichte sehr kurz zu machen: Die Idee, dass die Heiligkeit und Liturgiegemäßheit einer Musik untrennbar mit dem a-capella-Stil á la Palestrina verbunden ist, findet sich in abgewandelter Form in einem Pastoralschreiben wieder, das am 1. Mai 1895 der Patriarch von Venedig Joseph Sarto erließ. In ihm wird festgestellt, dass Palestrina, wäre er heute am Leben, keineswegs viel anders komponiert hätte.[21] Die in Italien zur Liturgie dargebotene Musik ein wenig zu ordnen, scheint dringend nötig gewesen zu sein. Zeitgenössische Berichte erzählen von umherziehenden Musikergruppen, die da und dort ihre opernartigen Aufführungen für die Messe anboten. Wichtig waren vor allem Dramatik und Lautstärke; die Sänger formten die Hände zu Schalltrichtern, und die Gläubigen riefen laut „bravo“ während der Messe.[22] Vor allem gegen dergleichen richtet sich das Dokument; „ein Stilideal wird nicht vorgegeben, und der Gregorianische Choral kommt so gut wie nicht vor.“[23]

Das ist allerdings noch nicht alles, denn Kardinal Sarto wird später zum Papst gewählt, und als Pius X. erweitert er sein diözesanes Rundschreiben inhaltlich und macht es für den ganzen katholischen Erdkreis zum Gesetz. Die Folgen sind weitreichend. Hier steht nämlich klipp und klar zu lesen, welche Musik in die Kirche gehört und welche dort nur geduldet ist:

• der Gregorianische Choral ist die der Kirche eigene Musik,

• der Palestrina-Stil ist hochgeachtet,

• alles andere ist nur geduldet.

Alles andere umfasst alles andere, ganz einfach – die Gebrüder Haydn, Mozart und alle Vorläufer in Salzburg, Schubert, Beethoven, Bruckner und alle anderen, die noch gar nicht geboren sind, aber nicht so schreiben wie Palestrina.[24] Fast möchte man es einen Treppenwitz der Kirchenmusikgeschichte nennen: Weil in Italien fahrende Dillettanten Opernzeugs zur Messe geplärrt hatten, wird weltweit alle instrumentale Kirchenmusik herabgestuft. Falls jetzt jemand einwendet, so schlimm sei das doch nicht gemeint, der sollte einmal genau in das Dokument vom 3. November 1903 hineinschauen. Seine ersten Worte, Tra le sollecitudini, sind in die Geschichte eingegangen. Es heißt dort in Kapitel III, Abschnitt 7, lit. c:

Bei den kirchlichen Hymnen ist die althergebrachte Form beizubehalten. Es ist also nicht erlaubt, einem Gesang, z.B. dem Tantum ergo, eine derartige musikalische Einkleidung zu geben, dass die erste Strophe die rührselige Form einer sogenannten Romanze, Kavatine oder eines Adagio annimmt, die zweite Strophe aber, genitori usw. heiteren Charakter. [... festivum genus = heiter?]

Oder unter lit. b:

Bisweilen wird man es auch erlauben können, dass einzelne Psalmen durchgehend komponiert werden, wenn nur bei solchen Kompositionen die der Psalmodie eigene Form gewahrt bleibt. Man soll nämlich den Eindruck gewinnen, dass die Sänger im Wechselchor psallieren oder in solchen, die aus dem Gregorianischen Choral entnommen sind oder an ihn anklingen. Unter allen Umständen sind ausgeschlossen und verboten Konzertpsalmen. [25]

Vorbei ist es mit den 56 Vespern von Eberlin, Mozart und Michel Haydn! Mit einem Federstreich sollen tausende Seiten Musik gar nicht mehr für die Kirche geschrieben sein; für die Kirchenleitung ist das ab sofort Musik trotz der Kirche. Aber diesmal gibt es keine Obstruktion wie beim Salzburger Erzbischof. Der Kaiser Franz Joseph schickt zwei Emissäre nach Rom (den Burgpfarrer Bischof Laurenz Meyer und den Hofkapellmeister Karl Luze). In einer Privataudienz stellen sie das Problem dar, das sich im Land der Krönungsmesse ergeben könnte, und der Papst sagt: „So wollen Wir für Österreich eine Ausnahme machen.“ [26] Die Musik für die Kirche kann also vorläufig auch in der Kirche bleiben. Pius X. ist völlig zu Recht heiliggesprochen worden.

Vorläufig, wie gesagt – denn es kommt noch schlimmer. Auf den zehnten Pius folgt der elfte, und zum 25. Jahrestag des Kirchenmusik-Motu proprio schärft der Papst dem Erdkreis nicht nur erneut ein, was an Musik erwünscht oder geduldet ist, sondern die Grenzen werden jetzt noch enger gezogen. Am 20. Dezember 1928 schreibt er in der Apostolischen Konstitution „Divini cultus sanctitatem“:

Schließlich hat man mancherorts, besonders wenn Jahrhundertfeiern zum Gedächtnis berühmter Musiker begangen werden, das zum Vorwand [!] genommen, gewisse Werke in der Kirche aufzuführen, die, mögen sie auch noch so vortrefflich sein, doch zur Heiligkeit der geweihten Stätte und der Liturgie nicht passten und daher unter keinen Umständen in den Gotteshäusern aufgeführt werden hätten dürfen.[27]

Es liegt auf der Hand, welche berühmten Musiker partes pro toto gemeint sind; gerade erst wurden die 100. Todestage von Beethoven und Schubert begangen. Schon bisher war derlei Musik im Gottesdienst nicht willkommen gewesen; jetzt werden auch nicht-liturgische Aufführungen im Kirchenraum abgelehnt. Das hat die österreichischen Kirchenmusiker erneut in die Defensive gebracht.

Aber nicht alle! Der Südtiroler Vinzenz Goller hat sich vom erfolgreichen Komponisten spätromantischer Messen zum Cäcilianer gewandelt und die Zurückdrängung der Orchestermesse auf seine Fahnen geschrieben. Sein praktischer und ideologischer Partner war der Klosterneuburger Chorherr Pius Parsch, der einer der ersten Vorkämpfer für eine direkt liturgische Beteiligung der Gottesdienstgemeinde war – 40 Jahre vor dem II. Vatikanum. Klosterneuburg war andererseits auch der Sitz des ersten Instituts in Europa, das eine akademische Ausbildung für Kirchenmusiker einrichtete.

Von Pius Parsch wird der bilderstürmerische Satz überliefert: „In 50 Jahren wird es keinen Kirchenchor mehr geben.“[28] Vinzenz Goller hat das Ziel so formuliert: “Wir wissen nun klar und unzweideutig, dass unser hl. Vater die größte Einschränkung und das baldige Verschwinden der instrumentalen Kirchenmusik wünscht, an deren Stelle immer mehr der Gregorianische Choral und der A-cappella-Gesang treten müsse.“[29] Und vollends cäcilianisch mutet der folgende Passus aus derselben Rede an: „Ein Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert konnten nicht anders für die Kirche komponieren als sie es taten. Ihre Werke sind, soweit sie der gereiften Schaffensperiode angehören, unsterbliche Meisterwerke religiöser Tonkunst. Sie erheben uns an sich, ohne Bezugnahme auf die Liturgie.[30]

So wie schon beim Erzbischof Colloredo murrt das Volk und ist verunsichert. Pfarrer Otto Gauß erklärt 1933 auf einer Tagung des Cäcilienverbandes bei einer Predigt im Volkston und in Dialogform, was Sache ist:

Aber sind denn die Päpste auch recht unterrichtet, wenn sie den Choral so hoch preisen? – Die größten Musiker aller Zeiten und aller Konfessionen überbieten sich im Lob des Chorals.
Soll man denn die mehrstimmigen und die Orchestermesse nicht mehr zu hören bekommen und nicht mehr aufführen dürfen? – Seid ohne Sorge, die Kirche liebt auch die mehrstimmigen Messen, wofern sie kirchlich sind und noch ein Echo gregorianischer Laute, ein Fünklein gregorianischen Geistes herauszuspüren ist; aber sie anerkennt nicht, dass es eine Orchestermesse mehr wert sei als eine Choralmesse.[31]

Der Kampf zwischen den Cäcilianern und den Bewahrern der großen Kirchenmusik geht jahrzehntelang dahin. Es ist das II. Vatikanische Konzil, das die Vorrangstellung des Gregorianischen Chorals auf einen Ehrenplatz zurechtstutzt und prinzipiell alle Musikstile und alle Formen in die Liturgie hereinholt. Diese Bestimmungen sind allerdings, so wie fast alles im Dokument über die Liturgie, so unbestimmt und kompromissorientiert formuliert, dass sie sich vielseitig deuten lassen. Und es wird auch ausgiebig und kontroversiell gedeutet – seit nunmehr 52 Jahren.

Aber es muss nochmals betont werden: Grundsätzlich hat die kirchliche Autorität hier nach Jahrhunderten wieder einen Weg der Offenheit und der Pluralität beschritten, der Vieles an Musik für die Kirche auch tatsächlich in die Kirche hereinholt. Die 56 Vespern von Eberlin, Michael Haydn und Mozart dürfen jetzt wieder in einer Vesper gesungen werden, und wer die Krönungsmesse als unliturgisch schmäht, kann sich jetzt nicht mehr auf den Papst berufen. Gewiss – die Leitlinien des II. Vatikanums können mit Leichtigkeit auch einschränkend interpretiert werden, aber diese jetzt gültige Liturgie wird größtenteils zu Unrecht dafür verantwortlich gemacht, dass es zu einer angeblichen Verengung der kirchenmusikalischen Möglichkeiten kommt. Wer die Liturgie kennt und auch das kirchenmusikalische Repertoire, der wird bemerken, dass die Bibeltextvertonungen von Heinrich Schütz, Thomas Selle, Melchior Franck, Felix Mendelssohn, Max Reger, Hugo Distler, Johann Nepomuk David und vieler anderer jetzt in unserer Liturgie angekommen sind – so wie auch die herzerwärmenden Anthems und Canticles der Viktorianischen Epoche. Und das ist nur das, was einem ohne langes Nachdenken einfällt. Ein ungeheurer Schwall an Sakralmusik sollte sich in den letzten 50 Jahren in unsere Kirchenmusikpraxis ergossen und sie befruchtet haben.

Das waren noch Zeiten, in denen die Geeignetheit für den Gottesdienst an bestimmten Intervallen festgemacht werden konnte!

• Wir erinnern uns nochmals kurz an Papst Johannes XXII., der im Jahr 1324 festlegt, dass „gelegentlich, und zwar an hohen Festen bei der Messe und beim Offizium – bestimmte konsonante Intervalle über den einfachen kirchlichen Gesang gesetzt werden können, vorausgesetzt, dass diese Harmonien im Geist und im Charakter mit den eigentlichen Melodien übereinstimmen, wie zum Beispiel die Oktave, die Quint, die Quart und andere dieser Art.“[32]

• Der schon erwähnte Pfarrer Otto Gauß sagt 1933 auf der Tagung des Cäcilienverbandes: „Die Periode Reger ist vorbei, und der Tritonus klingt immer noch schlecht.“

• Als die Diskussion über die „Jazzmesse“ den Höhepunkt erreicht, beschreibt der angesehene Komponist und Chronist der österreichischen Kirchenmusik Ernst Tittel genau, wie die unfrommen Stellen in der Musik aussehen: „Freigemachte VI. und VII. Stufen in Moll, latente Nonenakkord-Wirkungen.“[33]

Diese Zeiten sind vorbei. Alle Intervalle, alle Rhythmen, alle Instrumente sind erlaubt. Jeder Beteiligte muss in jedem Einzelfall neu entscheiden, ob er Musik für die Kirche vor sich hat, die auch in die Kirche geholt werden kann, oder ob es Musik trotz der Kirche bleibt. Jeder, und jedes Mal. Das ist Segen und Fluch der Freiheit.

Kommen wir am Schluss noch einmal kurz zu Pius XI. und seinem Verbot konzertanter Aufführungen von Sakralmusik im Sakralraum. Wie ist das heute? Dass alle Vespern, Messen, Litaneien, Requien sowie alle geistlichen Motetten, Kantaten und Oratorien im Kirchenraum erklingen dürfen, darüber scheint weitgehender Konsens zu bestehen, auch bei jenen, die das Sagen über die Verwendung dieses Raumes haben; Ausnahmen bestätigen die Regel. Manchen, die Konzertantes nicht genehmigen, geht es nicht um den Inhalt, die Ausdehnung oder die Gestaltung, sondern um das Getriebe und Getue im Altarraum oder um die ausgedehnten Proben, von denen bei Einholung der Genehmigung vorsorglich noch nicht die Rede war. Leider nimmt auch ein gewisser Grund-Respekt vor dem Sakralraum, den meine und die nächste Generation noch reflexhaft hat, inzwischen allgemein ab, und so geht es auch immer um einen Mantel, der am ausgestreckten Arm einer Heiligenstatue aufgehängt wird oder um eine Wasserflasche, die ausgerechnet auf dem Altar vergessen wird.

Von derlei Trivialitäten völlig abgesehen, treten Probleme auf bei jenen Kompositionen, die in einer gewissen Grauzone angesiedelt sind: die Gerade-Noch-Nicht-Sakralen und die Gerade-Nicht-Mehr-Geistlichen Musiken. Dabei geht es nicht um die schon erwähnten Kompositionen wie Bernsteins Mass oder ums Deutsche Requiem von Brahms, die aus der liturgienahen Bezeichnung und der gleichzeitigen Distanz zum Kultischen eine zusätzliche Spannung herausholen. Hierher gehören auch das War Requiem von Benjamin Britten oder Schnittkes Requiem zu Don Carlos. A propos Schnittke – manchmal ist es ja auch umgekehrt und es steht nicht „Messe“ drauf, aber es ist „Messe“ drin, wie etwa in Schnittkes 2. Sinfonie (St. Florian), die nichts anderes ist als eine einstündige Vertonung des kompletten Ordinariums. Was machen wir mit einem Werk von Heinz Martin Lonquich (1937-2014), Missa für Bläserquintett (1971), oder mit einem von Frank Michel Beyer (1928-2008) mit dem Titel Missa für Streichquartett (1985)?[34]

In allen diesen Fällen ist Offenheit angebracht, und wenn nicht ausdrücklich provozierende oder gar blasphemische Elemente erkennbar sind, sollten die Kirchentüren weit geöffnet werden.

Übrigens haben wir dann noch Honegger mit dem streng genommen absurden Titel Sinfonie liturgique. Das erinnert ein wenig an die Gattung Kirchensonate; allerdings wissen wir natürlich, dass die Salzburger Dommusik diese Stücke damals ungehörigerweise anstelle des Graduale gespielt hat; auch in diesem Fall hat übrigens der Erzbischof Colloredo aufgeräumt und Mozarts Kollegen Michael Haydn beauftragt, liturgisch korrekte Gradualien zu komponieren; jedenfalls sollten nicht mehr reine Instrumentalstücke an dieser Stelle erklingen.[35]

Die Kirchentüren weit öffnen – aber wie weit und für wieviel Musik? Bei wirklichen Messen und solchen, die nur so heißen, endet es ja nicht. Denn schon lange sind Bruckners späte Sinfonien in den großen Kirchen heimisch geworden; hier passen die Dimensionen zusammen, und dass Bruckner ein sehr frommer Mann gewesen ist, erleichtert die Sache. Gustav Mahlers achte Symphonie enthält im 1. Satz die aufwändigste Vertonung des Veni Creator, die wir kennen. Nobilissima visione von Hindemith endet mit der Fronleichnamssequenz Lauda Sion. In solchen Fällen haben wir immerhin noch das beruhigend deutliche melodische Signal des Sakralen. Aber wie ist es mit Schuberts siebter Sinfonie – ist das ein Himmelssturm, wortlos, ohne Gebetsgestus, aber trotzdem über das Irdische weit hinausweisend? Ist die vierte Sinfonie von Franz Schmidt ein solcher Lebenshymnus, eine nicht nur auf sich selbst bezogene Zusammenfassung eines alten Menschen und auf diese Weise ein wortloses Erheben der Arme und des Gesichtes?

Über das Tägliche hinausweisend, hinaussteigend: transcendens würde man auf lateinisch sagen. Wer eine solche Spur des Transzendenten guten Gewissens und auf Grund eines prüfenden Referenzsystems in einem gewichtigen Musikstück wahrnimmt, wird sich dafür entscheiden dürfen, die Kirchentüre zu öffnen.

Das sei aber auch in Richtung Musik in der Liturgie wiederholt und vertieft: Die Verantwortlichen – und auch damit sind wieder alle gemeint, wenn auch vornehmlich der Klerus – sind gut beraten, die Tore weit aufzumachen. Wenn nichts mehr in Frage kommt, dann kommt irgendwann einmal gar nichts mehr. Der tausendjährige Dialog zwischen den Hütern des Essentiellen und denen, die es deuten und ausschmücken wollen, die mehr daraus machen wollen: Er wird ohnehin weitergehen.



[1] Kathpress vom 7. 2. 1966, zitiert in: Singende Kirche, 3/13, 1966, S. 133.

[2] Zitiert nach Andreas Weissenbäck, Lexikon der katholischen Kirchenmusik. Klosterneuburg 1937, S. 141.

[3] Ronald Bisegger, [1923–2003], Singen und Musizieren im Gottesdienst. Sechstes Symposion „Musik und Liturgie“1993 der Brixner Initiative Musik und Kirche, Brixen 1994, S. 25–32. Hervorhebung von P.P.

[4] Helmut Hucke im Abschnitt „Historischer Hintergrund“, in: Gottesdienst der Kirche, Handbuch der Liturgiewissenschaft. Regensburg 1987f., Teil 3, S. 151. Hervorhebungen von P.P.

[5] Richard von Kralik, Zur Geschichte der Wiener Kirchenmusik. Zweites Kapitel: Die Trienter Codizes. Musica divina, 1. Jg./3, Juli 1913, S. 99–103. Kralik folgt nach eigener Angabe hauptsächlich Josef Mantuani, Geschichte der Musik in Wien. Bd. I (1904).

[6] Silveer de Smeedt, Der Einfluß eines Papstes auf die Liturgie seiner Zeit. Eine Besinnung auf die Liturgie von heute vor dem Hintergrund ihrer Geschichte. Bibel und Liturgie, 56. Jg. /4, 1983, S. 209–218. (Übersetzung des Beitrags in Tijdschrift voor Liturgie, 64 (1980), S. 242–251, aus dem Niederländischen von Peter Pawlowsky.) Weitere Informationen zu frühen Überlegungen betr. Liturgiesprache vgl. Gottesdienst der Kirche [GdK]. Handbuch der Liturgiewissenschaft, Regensburg 1987f., Teil 4, S. 277. Auch die Reformen des Salzburger Erzbischof Colloredo und Kaiser Joseph II. (siehe später) zielten auf die Verwendung der Muttersprache in der Liturgie.

[7] Otto Ursprung, Jacobus de Kerle – der „Retter der Kirchenmusik“. Musica divina, 16. Jg./1928, Heft, 3, S.41-46 und Heft 4, S. 65-67.

[8] Vgl. Peter Planyavsky, Solemnis-Schiff in Brevis-Flasche. Die geniale Ökonomie in Mozarts Messen. In: Peter Tschuggnall (Hg.), Mozart und die Religion. Anif/Salzburg 2009, S. 111-117.

[9] Manfred Hermann Schmid, Mozart in Salzburg. Ein Ort für sein Talent. Regensburg 2006. Rudolf Pacik, Liturgie und Kirchenmusik in Salzburg zu Mozarts Zeit. In: Mozart und die Religion (siehe vorige Fußnote), S. 81–89.

[10] Erich Benedikt, Franz Schubert und die Kirchenmusik in Lichtental, In: Franz Schubert und die Pfarrkirche Lichtental. Salzburg 1997, S. 27-41.

[11] Ganz entfernt vergleichbar: Joseph Haydn, Die sieben Worte unseres Erlösers am Kreuz (c – B – c/C – E – f – A – g/G – Es). Allerdings waren Aufführungen von Anfang an mit Zwischentexten gedacht.

[12] Karl Vetterl, Zur liturgischen Uraufführung der Missa solemnis von L. van Beethoven. Musica divina, 17. Jg., 1929, Heft 1, S 6–9.

[13] Vgl. z. B. Clemens Holzmeister, Die Wiedervereinigung des Orgelchores mit dem Presbyterium. Musica divina, Heft 5/6, Mai–Juni 1928 (= Sonderheft: Die Orgel) S. 96–97. Pius Parsch/ Robert Kramreiter, Neue Kirchenkunst im Geist der Liturgie, Wien-Klosterneuburg 1939, Reprint Würzburg 2010.

[14] Balthasar Fischer, Vom Missale Pius‘ V. zum Missale Paul VI. In: Liturgisches Jahrbuch 1/1976, S. 2-18

[15] In Genre des Science Fiction gibt einen Stofftypus, der darauf beruht, dass den Insassen eines Jahrhunderte lang reisenden Raumschiffes seit Generationen nicht mehr bewusst ist, dass es sich um ein Raumschiff handelt und dass sie unterwegs sind. So etwa bei Robert Heinlein, Orphans of the Sky („...der ausschließlich rituell verstandene Vorgang ‚Vorbereitung zur Landung“...“),1963, oder Louis Charbonneau, Barrier World, dt. Der Gott der Perfektion, 1970.

[16] Isidor Mayrhofer OSB, Über die Bedingungen einer gesunden Reform der Kirchenmusik. Wien 1896.

[17] Winfried Kirsch, Das Palestrina-Bild und die Idee der „wahren Kirchenmusik“ im Schrifttum von ca. 1750 bis um 1900. Regensburg 1999, S. 62f.

[18] Richard Wagner, Gesammelte Schriften, 2. Auflage, II. Band, S. 255, hier zitiert nach: Franz Auerbach: Das Urteil Richard Wagners über die katholische Kirchenmusik. Musica divina, 1. Jg., Nr. 3, Juli 1913, S. 106–109. In diesem Beitrag werden Wagners Äußerungen zum Gegenstand ausführlich – und teilweise zustimmend – kommentiert.

[19] Anton Möhler, Ästhetik der katholischen Kirchenmusik, Rottenburg a. N., 1915, S. 335. – Der Ausdruck „hohes Ansehen“ dürfte noch zu vorsichtig gewählt sein. Am 11. Juli 1863 besuchte Pius IX. persönlich den Komponisten in seinem Haus, das etwa eine Stunde von Rom entfernt lag. Information aus einem ungezeichneten Beitrag in musica divina, 9. Jg. / Nr. 5/6, Mai/Juni 1921, S. 44-45, wo man sich auf einen „kürzlich im ‚Neuen Wiener Tagblatt‘ veröffentlichten“ Beitrag des „bekannten und geschätzten Musikschriftstellers Ludwig Karpath“ bezieht, der die singuläre Begebenheit mit einem Brief einer Verehrerin Liszts an die Mutter des Komponisten untermauert.

[20] Möhler, Ästhetik, S. 344. Der Autor zitiert hier ohne Quellenangabe die Äußerung eines Robert Louis.

[21] Peter Planyavsky, U-Musik in der Liturgie, und warum sie immer wieder kommt. Singende Kirche XXXI/2 (1984), S. 64-68, sowie XXXI/3, (1984), S. 119-122, hier S. 119. Das entsprechende Zitat aus dem Schreiben von Kardinal Joseph Sarto findet sich bei Robert F. Hayburn, Papal Legislation on Sacred Music. Collegeville, Minnesota 1979, S. 216.

[22] Ein Überblick bei: Eva und Marco Brandazza, Die italienische Kirchenmusik im 19. Jahrhundert. Katholische Kirchenmusik, Zeitschrift für die Musik in der Liturgie, 115. Jg./Heft 2, März/April 1990, S. 65-68.

[23] Rudolf Pacik, Das Motu proprio „Tra le sollecitudini“ (1903) und seine Vorläufer in Italien. Singende Kirche, 50. Jg. 2003, Heft 4, 271-276.

[24] Vgl. die Einschätzungen von Ronald Bisegger (Fn. 3). Franz Karl Praßl, Anmerkungen zur Orgelbegleitung gregorianischer Gesänge. In: Manfred Novak (Hg.), Theorie des Planyversums. Gedanken, Artikel, Kompositionen. Peter Planyavsky zum 65. Geburtstag, Wien-Münster 2012, S. 93–113.

[25] Nach Andreas Weißenbäck, Sacra Musica... (siehe Fn. 2) Hervorhebung von P.P.

[26] Huldigungsworte der Vertreter der Nationen für Papst Pius X.: Josef Schnitt [„Rektor“ der Wiener Sängerknaben]. In: Bericht über den 2. Internationalen Kongreß für katholische Kirchenmusik in Wien. 10. Oktober 1954. Wien 1955, S. 66.

[27] Nach Weissenbäck, Lexikon (siehe Fn. 2), S. 150.

[28] Vgl. Hermann Kronsteiner, Vinzenz Goller. Wien-Linz-Passau 1976, S. 85, sowie Anmerkung 101. Laut Kronsteiner hat Parsch diese Formulierung 1934 in einem Referat vor Chorleitern und Organisten verwendet.

[29] Vinzenz Goller, Der Gregorianische Choral als Nährboden der katholischen Kirchenmusik. Bericht über die 25. Generalversammlung des allgemeinen Cäcilienvereins in Regensburg, 10.-12. Juli 1932. Musica divina, Jg. 20., Heft 7/8, 1932, S. 86–88. Hervorhebung von P.P.

[30] Ebd. S. 137. Hervorhebung von P.P.

[31] Otto Gauß, Festpredigt. In: Otto Gauß (Hg.), Heilige Tonkunst. Bericht über die 28. Generalversammlung des Cäcilienvereins der Diözese Rottenburg am 25./26. September 1933 in Gmünd nebst literarischen Beigaben. Stuttgart 1935, S. 43

[32] Nach Robert F. Hayburn, Papal Legislation on Sacred Musik, Collegeville. Minnesota 1979, S. 20f. Übersetzung von P.P.

[33] Ernst Tittel, Schluss mit dem Kirchenjazz! Singende Kirche, 12. Jg., Heft 3, (1965), S. 123.

[34] Eine eindrucksvolle Liste mit sakralen und sakral-nahen Kompositionen aus dem 20. Jahrhundert findet sich bei Niko Firnkees, Sakrale Musik nach 1945 als musikpädagogische Aufgabe. Augsburg 2000 (Anhang, S.339–357). In einer Fußnote merkt Firnkees zum genannten Werk Beyers originellerweise an: „Das Werk vertont den Messgedanken ohne das Credo.“

[35] „Wie weit war man auch da noch von den grundlegenden liturgischen Vorschriften entfernt: Michael Haydn erhielt den Auftrag, ‚etwas anderes nach beliebigem Worttexte‘ zu schreiben.“ (Hervorhebung vom Autor.) W. Kurthen, Die Wiener Klassiker als Kirchenmusiker. Musica divina, 17. Jg./Heft 2, 1929, S. 27–33. In diesem Artikel prägt der Verfasser übrigens das sehr bald zum Schlagwort gewordene „Tolerieren, nicht propagieren“ für die Kirchenmusik der Wiener Klassik in der Liturgie.