Kulewatz Julia - Auf der anderen Seite - TheoArt-komparativ

"Auf der anderen Seite"

 

Zum Dazwischen als generative Grauzone im Schreiben Herta Müllers

Von Julia Kulewatz, Erfurt

 

„I see the shaded part on one side where the sleepers are sleeping, […]”[1]

Das „Vor-Augen-Führen“[2] (Aristoteles, Rhetorik. 1410b) – damit nähern wir uns dem Aristotelischen Metaphernverständnis als Kraft des Sehens; die Sehkraft ist bereits eine Metapher[3] dafür, wie wir als sinnlich rezipierende Wesen den uns umgebenden Kontext[4] als Welt wahr-nehmen. Da dem Sehen selbst, also dem Selbst-Sehen[5], das Metaphorische innewohnt, lehne ich mich nicht zu weit aus dem oben genannten Fenster, wenn dieser essayistische Versuch seinerseits behauptet, dass das Sehen mehr ist als ein physischer, auf Schärfe ausgerichteter Prozess. Vielmehr ist es eine multidimensionale, schöpferische Funktion, die unserem emotionalen und mentalen Seinszustand entspringt und diesen in einer rückläufigen Bewegung von der „anderen Seite“ her erneut und umso maßgeblicher beeinflusst. Aristoteles bemerkt, dass „die Metapher in größtem Umfang Deutlichkeit, Annehmlichkeit und Fremdartigkeit[6] [besitzt; J.K.], und […] nicht von etwas anderem abgeleitet werden [kann; J.K.]“ (Aristoteles, Rhetorik. 1405a).

In eben dieser schöpferischen Funktion, die aus der „Gegenrichtung des Blickes“ resultiert, lauert das, was Müller die „erfundene Wahrnehmung“ nennt: „Die Gegenrichtung des Blicks ist das, was wir Sehen, was wir Wahrnehmung nennen“ (Müller, Der Teufel sitzt im Spiegel. 40). „Die Gegenrichtung des Blicks“ (er-)öffnet überraschend ein Fenster zum „Unvorhersehbaren“, welches in einer hinter dem Text erzeugten Grauzone eingebettet solange vor sich hin döst, bis es mit Zuhilfenahme der „erfundenen Wahrnehmung“ durch den Rezipiervorgang erweckt wird.

Die der μεταφορά einverleibte Fremdartigkeit birgt jedoch weit mehr als die von Aristoteles postulierte Formel einer ars imitatur naturam in sich; weder sucht sie das in der Natur Unvollbrachte zu vollenden noch diese zu reproduzieren: Denn „[ü]berall, wo Menschen sich befinden, oder hinsehen, werden sie selbst, wird das was sie sehen, eine Möglichkeit für das Unvorhersehbare“ (Müller, Der Teufel sitzt im Spiegel. 18). So ist die versprachlichte μεταφορά als ein Vehikel anzusehen, „Schritt, Sprung, Blick und Bild machen die ‚Erfahrung‘, wie sie sich in der Schrift niederschlägt, nicht aber einfach nur ‚verschriftlicht‘, sondern wiederum syntaktisch und rhythmisch neu organisiert“ (Köhnen, Über Gänge. 159).

Der Niederschlag blickt aus der Schrift zurück, denn „[i]n jeder Sprache sitzen andere Augen in den Wörtern” (Müller, Heimat ist das was gesprochen wird. 15). Den Worten ist demnach bereits in ihrer Beschaffenheit, der Typographie zu misstrauen. Aus dem Satz schaut das Unvorhersehbare, wonach „[j]eder Satz […] ein von seinen Sprechern[7] so und nicht anders geformter Blick auf die Dinge“ (Ebd. 15) ist. Das Gesehene verselbständigt sich, es blickt in reorganisierter Formation mit dem ihm durch die „erfundene Wahrnehmung“ eingehauchten Leben (der des Schreibers und später des Lesers) zurück.

Da das poetische Ingenium in bildgewaltiger, wirkungsvoller Sprache[8] sprechen muss, kommt es nicht umhin, sich um die μεταφορά zu bemühen, – oder bemächtigt sich diese seiner Poetologie? Will man die μεταφορά auf ihr Wesen hin untersuchen, so begibt man sich in den ihr eigenen Moment der Täuschung, Fremdheit, Erwartungsabweichung, Dunkelheit und Überraschung; man liefert sich aus, sieht ihr in die regenbogenfarbenen Augen; ihr, der μεταφορά, als einer Bild-Chimäre[9], die im Schreiben Müllers zweifellos Beseeltem und Unbeseeltem ein Stuhlbein stellt.

Die Χίμαιρα[10] wird als weibliches Fabeltier „[m]it Kopf, Mähne und Beinen eines Löwen, dem Körper einer Wildziege und dem Schwanz eines Drachen oder Schlange [beschrieben, J.K.]“ (Zerling, Lexikon der Tiersymbolik. 54). Μεταφορά und Χίμαιρα sind nicht nur dem Wortstamm entsprechend gleichermaßen weiblich, so verweist die körperliche Zusammensetzung[11] des Mischwesens Χίμαιρα in seiner Anwesenheit auf der einen Seite mit all seinen Körperteilen auf das jeweils abwesende Tier auf der anderen Seite.

Auch den in der Χίμαιρα vereinten Tieren wohnt wiederum ein metaphorischer Gehalt inne; so werden dem Mythos zufolge mit dem Drachenschwanz magische Kräfte assoziiert, auch ist der Drache von seiner Symbolik her weder exakt dem Licht noch dem Dunkel zuzuordnen, ebenso vereint die Ziege Teuflisches und Göttliches; auch der Löwe ist ein bedeutungsträchtiges Tier. So kann man jedem einzelnen Tier, auf welches die Χίμαιρα als zusammengesetztes Bild in ihrer Anwesenheit verweist, eine Mischwesenartigkeit in der Bedeutung nachsagen, es als nicht auflösbare, in Blumenbergs Verständnis absolute Metapher[12], als welches auch die Χίμαιρα angesehen werden muss, verstehen.

Unklar bleibt demnach auch, was die Χίμαιρα in ihrer Vielgestalt oder vielmehr Vielgestaltbarkeit zum Ausdruck bringen soll. Die Χίμαιρα setzt als Sinnbild in ihrer Unauflösbarkeit, Eigenständigkeit, ggf. Ungebundenheit, dem Kontext gegenüber die Prämissen von Zeit und Raum außer Kraft; sie ist absolute Metapher für die Dunkelheit der μεταφορά.

Die μεταφορά bedient sich zwar der konventionellen Sprachverwendung er-/enthält oder entstellt (durch den Verweischarakter), transzendiert aber die ursprüngliche Bedeutung im neuen Verwendungszusammenhang. Ein verweisender Sinngehalt bleibt auch in der ihrem spezifischen Discours enthobenen μεταφορά im Verwendungszusammenhang zurück, auch dann, wenn diese in neuer Formation dunkler[13] werden mag:

Die Metapher [ist; J.K.] Ausdrucksmittel einer Phantasie, die das „Gegebene“[14], den Zusammenhang fixierter Erfahrungen, die Ordnung einer unbeweglich gewordenen „Realität“ auflöst, indem sie die Sprache vorgegebener Kategorisierungsschemata vergißt und neue Ordnungsmöglichkeiten spielerisch ausprobiert, [und; J.K.] damit überraschend Wahrnehmungsmöglichkeiten andeutend und alternative Welten entwerfend (Nieraad, Bildgesegnet und Bildverflucht. 32).

Blumenberg zeigt in seiner Metaphorologie mit den absoluten Metaphern eine Irreduzierbarkeit derselben auf, woraus geschlussfolgert werden kann, dass die μεταφορά bereits Welt[15] sein muss und oder diese enthält bzw. produziert, da sie sich als contradictio in adiecto des einstig illustrierten Sachverhaltes entledigt hat. Ulrike Growe spricht, wenn es um das „technische Schreiben“ Herta Müllers geht, von einer eigenen, ihren Worten innewohnenden „Montiertheit“ (Growe, Das Nicht-Sagbare schreiben im „Überdruss der Münze die auf den Lippen wächst“.100). Müllers „Montiertheit“ erscheint beinahe als eine ganz natürliche, die Müller am menschlichen Körper selbst als nachvollzogen empfindet und die gleichzeitig mit demselben rezipierbar gemacht wird: „Unser Auge liegt so, dass es eine größere Fläche, als der eine Augapfel groß ist, sieht. Daher steht immer ein Bild vor dem Auge, das zusammengesetzt ist. Das aus vielem, nicht Zusammengehörendem besteht” (Müller, Der Teufel sitzt im Spiegel. 76). Müllers Schreiben geht unter die Haut[16] und über diese hinaus; die Χίμαιρα bedient sich des ganzen Körpers, des Organischen, des den Körper umgebenden Materials:

Was die Texte von Herta Müller angeht, könnte man drei Organe angeben, die bei der Entstehung von Schrift mithelfen: Auge, Bein und Hippocampus, der an der Schnittstelle von Archi- und Neocortex für die Verbindung von Reflexen, Imagination und bewusstem Denken, aber auch für das Gleichgewichts- und Rhythmusgefühl verantwortlich ist (Köhnen, Über Gänge. 123).

Mit Zusammensuchen geht Zusammensetzung einher und mit dieser kommt Zerlegung, bleibt Zerstreuen:

Wenn man Menschen, auch, wenn sie einem nahestehen, ansieht, wird man schonungslos. Man zerlegt sie. Das Detail wird größer als das Ganze. Man schaut in sie hinein. Man sieht nichts, doch man ahnt, was innen ist (Müller, Der Teufel sitzt im Spiegel. 25f).

Der Blick hinein ist eine Entscheidung, die der Rezipient im „Diskurs des ganz anderen Alleinseins“, der Metapher des Fensters gegenüberstehend, trifft. Bereits Leon Battista Alberti begreift die architectura[17] in seinem Gesamtwerk als ingigneres Kontinuum, die Kunst des Raumes, das Bauen schlechthin:

Est autem compositio ea pingendi ratio qua partes in opus picturae componuntur. Amplissimum pictoris opus non colossus sed historia. Maior enim est ingenii laus in historia quam in colosso. Historia partes corpora, corporis pars membrum est, membri pars est superficies. Primae igitur operis partes superficies, quod ex his membra, ex membris corpora, ex illis historia, ultimum illud quidem et absolutum pictoris opus perficitur (Alberti, De pictura II. 35).[18]

Die darstellende Komposition als Vorgang ist Zentrum des technisch organisierten Raumes in seiner universellen Grundbeziehung zur Wahrnehmung von Realität. Alberti erklärt den Körper als einen Gegenstand, welcher teilbar ist durch Länge, Breite und Tiefe. Dieser Gegenstand wiederum ist unter sichtbaren Oberflächen verborgen und stößt das menschliche Sehen, den Blick an seine Grenzen:

Wo Gestrüpp wächst, ist die Nacht auf dem Sprung zwischen Laub und Überfall. Wenn in der dunklen Stadt kein Strom ist, kommt die Nacht von unten, sie schneidet zuerst die Beine ab. Um die Schultern hängt noch graues Licht, das zum Schaukeln des Kopfes reicht, zum Zudrücken der Augen. Zum Sehen reicht es nicht (Müller, Der Fuchs war damals schon der Jäger. 31).

Der Körper in seiner Gegenständlichkeit problematisiert nicht nur den Sehvorgang, sondern vor allem den Blick auf die Dinge, der von diesem zu unterscheiden ist. Erstmalig thematisiert Alberti die μεταφορά des Fensters für das Sehen, indem er das Bild als eine der möglichen Schnittebenen durch die Sehpyramide und die Projektion desselben als fenestra erkennt. Der Betrachter kommt nicht um die Einsicht, den Blick auf das Bild vom Bild zu richten. In beiden Fällen blickt er durch ein Fenster auf ein Bild, ohne das Medium zu bedenken.

Sowohl das geschaute Bild als auch der Blick durch das Fenster lenken die Beobachtung des Rezipienten auf Gegenstände, Personen und Ereignisse, die sich außerhalb des Raumes befinden, in denen sich der Betrachter befindet: „Das Schwarze im Auge glänzt, fängt den Lichtfaden ein, der durchs Fenster fällt“ (Müller, Der Fuchs war damals schon der Jäger. 93). – „Der Mensch ist nicht Licht, sondern nur Leuchte, die am Licht entzündet wird“ (Blumenberg, Ästhetische und metaphorologische Schriften. 157). Bilder und Fenster eröffnen den Blick auf das Andere, lenken ihn auf die andere Seite. Der Blick weg vom Selbst führt letztlich durch einen Perspektivenwechsel hindurch zurück zum Sich-Selbst-Sehen: „Tagelang, wochenlang schaue ich auf die äußeren Dinge um mich und auf mich selbst. Ob ich mich darin zerlege, oder sie in mir, bis der Punkt kommt, an dem ich den Rückzug ins lückenlos Unwirkliche mache“ (Müller, Der Teufel sitzt im Spiegel. 34f).

Doch was ist das Fenster auf der anderen Seite der Betrachtung, im Rück-Blick aus der „Gegenrichtung des Blicks“? Es geht nicht länger um die „Transparenz des Bildes“, es geht um den Blick selbst, den Rück-Blick auf das durch die μεταφορά ge-/erzeugte Bild und seine Funktion innerhalb eines transzendierenden und damit generierenden Akts: „Das, was fällt und aufschlägt oder kein Geräusch macht, das was man nicht aufschreibt, spürt man in dem, was man aufschreibt. Das Gesagte muß behutsam sein, mit dem, was nicht gesagt wird“ (Ebd. 19).

Scheinbar unüberbrückbar bleibt ein Rest zurück; die μεταφορά des geöffneten oder von vornherein verriegelten Fensters erlaubt keinen Einblick in die „reale“ Welt, beim Blick durch ein Fenster bleibt der Betrachter mit dem Sich-bewusst-Sein der „realen“ Anwesenheit des Geschauten verbunden. Im Unterschied dazu steht das literarisch konzipierte, das imaginierte Bild: Die Realität geht dem Bild ab. Es wäre demnach schon aus phänomenologischer Sicht unzulänglich, das Bild wie ein Fenster zu behandeln. Jedoch ist nicht zu bestreiten, dass die von Müller inszenierten Fenster Bilder bleiben.

Inwieweit erhält das Gemeinte durch das Vehikel des fenestra, durch den Akt der Betrachtung, eine Art Wirklichkeit im Zwischenraum? Wie nah kommt der Rezipient an den Raum, an die Kammer, in die das Fenster eine Zeit lang Einblick gewährt, heran, wenn das Bild Gesagtes ist und der eigentlich behandelte Gegenstand das Gemeinte? Das Fenster in der Funktion eines Bildes lässt nicht die im Raum tatsächlich anwesenden Dinge schauen, sondern es sieht weit über dessen Oberfläche hinaus; es blickt auch zurück.

Der geschriebene Satz ist ein nachweisbarer Satz zwischen vielen verschwiegenen Sätzen. Nur seine Nachweisbarkeit unterscheidet ihn von den verschwiegenen Sätzen. Weil er nachweisbar ist, könnte man meinen, dass er wichtiger ist als die verschwiegenen Sätze. Er ist nicht wichtiger. Und er ist auch nur nachweisbar, weil er die verschwiegenen Sätze in sich enthält, indem er sie vorwegnimmt und hinterherträgt (Müller, Der Teufel sitzt im Spiegel. 36).

Der von Müller dargebotene Text ist mit jedem einzelnen seiner Satzglieder, mit jedem Wort[19], mit jedem sichtbaren Zeichen anwesend – er ist bereits Bild in seiner Materialität. Der Text ist ebenfalls bildliches Medium zunächst eines der anwesenden Dinge; diese sind per definitionem jedoch nicht als „real“ im eigentlichen Sinne anzusehen: „Etwas war auf dem Bild, das draußen kein Leben zeigt“ (Ebd. 11). Die anwesenden Dinge sind virtuell, ausschließlich durch den Sehvorgang zu erfassen. Somit wird das Bild im Text mit einem Fenster identisch, denn der Text simuliert das Ding, das Ereignis, die Person, die Abbilder konstruierend.

Das Gemeinte erhält mit Zuhilfenahme der μεταφορά eine Wirklichkeit, die durch selbige  angesiedelt in einer Grauzone, verstanden als das Dazwischen[20] in den abwesenden Zeichen, geschaut, gar gefühlt[21] werden kann: „Das, was außen geschieht, wird durchbrochen von dem maßlosen anderen. Das kommt von innen. Aber was von innen kommt, das kommt auch bald von außen“ (Ebd. 20). Da das genutzte Medium sich selbst aus- bzw. überblendet, werden im Dazwischen die Fenster trüb, die Kunst des Bauens tritt hinter das durch den Blick verlebendigte Konstrukt zurück: „Oft verstärkt sich das, wenn da, wo tagsüber Entfernungen und Richtungen oder bloß Gegenstände sind, nichts mehr ist als Dunkelheit ist. Vor dem Schlaf gibt es nur uns selbst. Jedes Gefüge ist verschluckt“ (Ebd. 18).

Auf der anderen Seite lösen sich Konturen auf, verwischen Grenzen, Körper erweitern sich, schrumpfen zurück in eine Gegenstandslosigkeit, „Der Staub ist [dann; J. K.] feinbehaart“ (Müller, Der Fuchs war damals schon der Jäger. 30), „Taschenlampen gehören wie Finger zu den Händen“ (Ebd.), „die Kinder sind aus dem Haus gewachsen“ (Ebd. 39) und „[w]ir ahnen es […], und dann steht etwas im Kopf und breitet sich aus und drosselt. Mal ist man dem bilderlosen Schlaf ausgeliefert, dem Nichts, [m]al der Unberechenbarkeit der Bilder […]. Die Wahrnehmung, die sich erfindet, steht nicht still. Sie überschreitet ihre Grenzen da, wo sie sich festhält“ (Müller, Der Teufel sitzt im Spiegel. 18f).

Müllers μεταφορά funktioniert als eine aus Bildern zusammengesetzte Colláge des Absoluten, die durch den Leserblick belebt, zur Χίμαιρα wird. Doch ist die Χίμαιρα, wenn auch nicht scheu, eine unberührbare Wesenheit, gleichermaßen göttlich und teuflisch in ihrer Unantastbarkeit; aber sie lässt sich beobachten, dann, wenn die Fenster unverriegelt sind.

„[…] and the sunlit part on the other side“

 

Literatur:

Beißner, Kirsten: I see what you mean. Metaphorische Konzepte in der (fremdsprachlichen) Bedeutungskonstruktion. Frankfurt am Main: Peter Lang, 2002.

Blumenberg, Hans: Paradigmen zu einer Metaphorologie. Bouvier, Bonn 1960, Neuausgabe, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1997.

Blumenberg, Hans: Ästhetische und metaphorologische Schriften. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2003.

De pictura. [1435, gewidmet Filippo Brunelleschi]; Della pittura [1436] [1] Volltext, lat.

Freud, Sigmund. Die Traumdeutung. Fünfte korrigierte Auflage im Rahmen der S. Fischer-Reihe; „Conditio Humana. Ergebnisse aus den Wissenschaften von Menschen“, Frankfurt am Main: S. Fischer, 1972.

Growe, Ulrike: Das Nicht-Sagbare schreiben im „Überdruss der Münze die auf den Lippen wächst“. Über Herta Müllers Der Wächter nimmt seinen Kamm. In: Der Druck der Erfahrung treibt die Sprache in die Dichtung. Bildlichkeit in Texten Herta Müllers. Frankfurt am Main: Peter Lang, 1997.

Haverkamp, Anselm (Hrsg.): Theorie der Metapher. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 21996.

Johannsen, Anja K.: Kisten, Krypten, Labyrinthe. Raumfiguren in der Gegenwartsliteratur: W.G. Sebald, Anne Duden, Herta Müller. Bielefeld: transcript, 2008.

Kohl, Katrin: Poetologische Metaphern. Formen und Funktionen in der deutschen Literatur. Berlin/New York: de Gruyter, 2007.

Müller, Herta: Der Teufel sitzt im Spiegel. Wie Wahrnehmung sich erfindet. Berlin: Rotbuch, 1991.

Müller, Herta: Heimat ist das was gesprochen wird. Rede an die Abiturienten des Jahrgangs 2001. Blieskastel: Gollenstein, 2001.

Müller, Herta: Der Fuchs war damals schon der Jäger. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 2010.

Nieraad, Jürgen: „Bildgesegnet und Bildverflucht“. Forschungen zur sprachlichen Metaphorik. In: Erträge der Forschung, Bd. 63. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1977.

Zerling, Clemens: Lexikon der Tiersymbolik. Mythologie – Religion – Psychologie. München: Kösel, 2003.



[1] Whitman, Walt: „Salut au Monde!”, in: Leaves of Grass and Other Writings, 118, ed. Michael Moon, W. W. Norton & Company: New York · London 2002.

[2] πρὸ ὀμμάτων ποιεῖ: „Vor-Augen-Führen“ = „das, was Wirksamkeit zum Ausdruck bringt“.

[3] Lat. metaphora, aus griech. μεταφορά für Übertragung, Transfer, bildlicher Ausdruck zu metaphorein/metapherein, μεταφέρειν, „woandershin tragen“, von meta-, „nach … hin“ zu -pherein, „tragen“.

[4] Mit „Kontext“ sei an dieser Stelle der Discours gemeint, wie ihn Michel Foucault in Les mots et les choses – Une archéologie des sciences humaines (1966) und L’ordre du discours (1972) bespricht. Der Diskurs, in dem die Text- und Bildwelten Herta Müllers entstanden und eingebettet sind, ist als jener Vorgang anzusehen, der der Herausbildung von Wahrheiten, „in denen wir uns unser Sein zu denken geben“, katalysiert. Diskurse werden Foucault zufolge innerhalb einer Organisation (Gesellschaft) produziert und in ge-/verschlossenen Räumen aufbewahrt. Nur die Disziplin/Disziplinierung, insbesondere von außen, setzt der Diskursproduktion Grenzen, während Regeln und damit Disziplinierungsverfahren fortwährend  aktualisiert werden müssen. – Nicht zu vergessen sei demnach der Kontext/Diskurs, der Müller zur Schrift-Stellerin hat werden lassen.

[5] Selbst-Sehen, wie ich es gebrauche, soll hier schon in Anlehnung an Müllers Begriff von „Sehen“ verstanden werden, den sie folgendermaßen selbst kommentiert: „Überall, wo Menschen sich befinden, oder hinsehen, werden sie selbst, wird das was sie sehen, eine Möglichkeit für das Unvorhersehbare“ (Müller, Der Teufel sitzt im Spiegel. 18).

[6] τὸ ξενικὸν.

[7] – und damit seinen Lesern.

[8] Energeia/Ergon, griech. ἔργον, „statisches Gebilde“, (Bau-)Werk. – Die transzendierende und generative Wirkung der metaphorischen Rede entfaltet sich, wie bereits erwähnt, nur innerhalb des um sie geschaffenen Kontextes als ein Spannungsfeld.

[9] Der Neologismus „Bild-Chimäre“ mag bei genauerer Betrachtung etwas irritieren, da die Chimäre selbst bereits Bild ist, jedoch erleichtert er meines Erachtens zu Anfang die Sensibilisierung des Rezipienten, dem für die Chimäre noch kein eigenes Bild zur Verfügung steht.

[10] Griech. Χίμαιρα, Chímaira, für Chimäre, „die Ziege“, später wurde die Begrifflichkeit auf „Mischwesen“ ausgedehnt.

[11] Techniken der Zusammensetzung sind Colláge und Montáge, Bezug nehmend auf Sigmund Freud sind es ebenfalls Techniken, die das menschliche Denken beherrschen, ähnlich der Verdichtung (geknüpft an den Vorgang der Assoziation) und Verschiebung (geknüpft an den Vorgang der Dissoziation). Beide Verfahren sind auf poetische Texte übertragbar als Effekte von sprachlicher „Überdeterminierung“ und „Vieldeutigkeit“ (Vgl. dazu: Freud, Traumdeutung, Kap. VI).

[12] „[Die; J. K.] absolute Metapher findet sich hier als Übertragung der Reflexion über den Gegenstand der Anschauung auf einen ganz andern Begriff, dem vielleicht nie eine Anschauung korrespondieren kann“ (Blumenberg, Metaphorologie. 12).

[13] „Alles, was schwarz ist, ist unsicher“ (Müller, Der Teufel sitzt im Spiegel. 110).

[14] An dieser Stelle sei das „Gegebene“ auch zu verstehen als das Anwesende, als ein Auf-dieser-Seite-Seiendes.

[15] „Welt“ hier gemeint als Welt-Bild.

[16] „Im ganz anderen Diskurs des Alleinseins verwischt sich die Grenze zwischen Gegenständen und Haut. Gegenstände können den Zustand, das Befinden der Person wiedergeben“ (Müller, Der Teufel sitzt im Spiegel. 97).

[17] Lat. für „Baukunst“: bezeichnet die Auseinandersetzung des Menschen mit konstruiertem Raum, dem planvollen Entwerfen und Gestalten von Bauwerken, mit Bezugnahme auf Vitruvs De architectura libri decem.

[18] „‘Komposition’ heißt das kunstgerechte Verfahren [der Darstellung; J.K.], wodurch Teile zu einem Werk […] zusammengefügt werden. Das bedeutendste Werk […] ist nicht die Riesengestalt, sondern der ‘Vorgang’. Denn größeres Lob verdient sich das Talent [des Künstlers; J.K.] mit der Darstellung eines ‘Vorgangs’ als mit derjenigen einer Riesengestalt. Teile des ‘Vorgangs’ sind die Körper, Teil des Körpers ist das Glied, Teil des Gliedes die Fläche. Die ersten Teile des Werkes sind also die Flächen, weil aus diesen die Glieder, aus den Gliedern die Körper, aus diesen der ‘Vorgang’ zur Vollendung gebracht werden – der ‘Vorgang’ als das letzte und eigentlich vollkommene Werk des [Künstlers; J.K.]“ (Alberti, De Pictura II. 35).

[19] „Es waren Geschichten in manch einem Wort, die sich erzählten, ohne gesagt werden zu müssen“ (Müller, Heimat ist das was gesprochen wird. 40).

[20] „Die Grenzen sind nicht da, wo die Dinge sind, oder, wo sie aufhören. Sie, die Dinge, hören auch nicht auf, wo sie zu Ende sind, oder sie sind nicht zu Ende, wo sie aufhören. Die meisten Dinge wissen über sich selbst hinaus“ (Müller, Der Teufel sitzt im Spiegel. 49).

[21] „Zwischen Schweigenden hatten unser aller Augen gelernt, welches Gefühl der andere mit sich […] trägt“ (Müller, Der Fuchs war damals schon der Jäger. 30).